Her mit der Westknete
Von Reinhard LauterbachIn Georgien halten die Proteste gegen das in zweiter Lesung vom Parlament verabschiedete Gesetz über die »Transparenz ausländischer Einflussnahme« an. Abend für Abend versammeln sich Tausende überwiegend junge Leute mit georgischen oder EU-Fahnen und Parolen wie »Ich will kein Ziegelstein in der russischen Mauer sein«. Westliche Staats- und ukrainische Internetmedien zeigten Demonstranten mit der Ankündigung, »bis zum Sieg durchzuhalten«. Die englischsprachige Zeile eines ukrainischen Twitter-Accounts mit dem renommierten Namen »Foreign Policy« – aber nicht zu verwechseln mit der außenpolitischen Fachzeitschrift aus den USA – lautete: »Willkommen auf dem georgischen Maidan.« Die Polizei ging mit Tränengas gegen die Demonstranten vor und nahm einige Dutzend von ihnen fest.
Stein des Anstoßes ist ein von der regierenden Partei »Georgischer Traum« bereits zum zweiten Mal eingebrachter Gesetzentwurf zur Offenlegung der Finanzierung von georgischen Nichtregierungsorganisationen aus dem Ausland. Wer mehr als 20 Prozent seiner jährlichen Einkünfte aus ausländischen Zuwendungen erzielt, soll gezwungen sein, dies den georgischen Behörden zu melden; diese erstellen dann ein Register solcher Zuwendungsempfänger. Mehr steht im öffentlich gewordenen Text des Entwurfes nicht, aber das reicht den Kritikern, der Vorlage vorzuwerfen, sie orientiere sich an dem notorischen Gesetz über »ausländische Agenten« in Russland – das ja auch die Tätigkeit dieser Organisationen nicht verbietet und sich im übrigen an einem Gesetz zur Begrenzung ausländischen Einflusses auf das öffentliche Leben aus den USA orientiert. Den ersten parlamentarischen Durchgang der Vorlage hatte der »Georgische Traum« 2023 selbst gestoppt, nachdem sich auf den Straßen ähnliche Szenen abgespielt hatten wie jetzt.
Dass der Entwurf der Regierungspartei Gesetz wird, ist nicht ausgemacht. Zwar soll am 17. Mai die abschließende dritte Lesung im Parlament stattfinden, aber die prowestliche Staatspräsidentin Salome Surabischwili hat schon angekündigt, ihr Veto dagegen einzulegen. Die Befürchtungen der Demonstranten, ein solches Gesetz könne Georgien wieder unter die Fuchtel Russlands zurückbringen, wirken damit einstweilen etwas übertrieben. Einiges spricht dafür, dass die neuerliche Einbringung der Vorlage ein Manöver der Regierungspartei vor den im Oktober anstehenden Parlamentswahlen darstellt: In einer Situation politischer Polarisierung kann es nie schaden, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wer welche oppositionelle Bewegung finanziert.
Obwohl auch das ein offenes Geheimnis ist: Die EU und die USA als die Adressaten der Wünsche der georgischen Demonstranten nach »euroatlantischer Integration« machen mit seltener Offenheit deutlich, dass sie von der georgischen Regierung erwarten, dass sie das Projekt selbst zurückzieht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte im April, als er den georgischen Ministerpräsidenten Irakli Kobachidse in Berlin empfing, deutlich gesagt, dass das Gesetz »europäischen Werten und Prinzipien« widerspreche; deutsche EU-Abgeordnete wie die Grüne Viola von Cramon-Taubadel haben schon dazu aufgerufen, den Kandidatenstatus Georgiens für den EU-Beitritt zurückzuziehen, wenn das Gesetz verabschiedet werde. Und die USA hatten sogar eine Einladung an Ministerpräsident Kobachidse unter diese Bedingung gestellt; Kobachidse blieb daraufhin in Tbilissi.
Was aussieht wie ein Vorspiel zur nächsten Farbrevolution im Südkaukasus, ist mit einiger Wahrscheinlichkeit in Wahrheit ein Stöckchen, über das USA und EU die georgische Regierung springen lassen wollen, noch bevor sie ihr irgend etwas geboten haben – eine symbolische Unterwerfungsgeste im Zuge der noch nicht einmal richtig aufgenommenen Beitrittsverhandlungen. Die Straßendemonstrationen in Tbilissi sind dabei das Element der Drohung, dass Brüssel und Washington ja noch ganz anders könnten, wenn die georgische Regierung nicht kuscht. Für den kommenden Sonnabend planen die Regierungsgegner die nächste Großkundgebung mit Blockade der Innenstadt von Tbilissi.
Tageszeitung junge Welt am Kiosk
Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.
-
Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (8. Mai 2024 um 14:06 Uhr)Georgien, die nächste, vom »Werte-Westen« erzeugte »Ukraine«. Korrupte östliche Verbrecher, Faschisten, Revisionisten und Rassisten sind dem »Werte-Westen« die liebsten Geschäftspartner. Das war auch schon in Russland (der GUS) unter dem stets besoffenen Volks- und Landesverräter Boris Jelzin so.
-
Leserbrief von Onlineabonnent/in Christoph H. aus W. (7. Mai 2024 um 20:36 Uhr)Dazu auch dieser interessante Artikel, der den ganzen Unsinn, den die Westwertemedien in Sachen Georgien verbreiten, vom Kopf auf die Füße stellt: https://lefteast.org/unrest-georgia-foreign-influence-transparency-law/
Ähnliche:
- 05.06.2023
In den Wind geschlagen
- 07.04.2022
Weltpolitik wider den Westen
- 12.01.2019
Erzwungener Antiimperialismus
Mehr aus: Ausland
-
Xi erinnert an Bombenopfer
vom 08.05.2024 -
Rechte werden nervös
vom 08.05.2024 -
Invasion hat begonnen
vom 08.05.2024 -
Berichte aus Trümmerwüste unerwünscht
vom 08.05.2024