16.04.2024 / Kapital & Arbeit / Seite 9

Schuldenspirale dreht sich weiter

Pakistan: Neue IWF-Kredite sollen Staatsfinanzen vor Kollaps bewahren

Thomas Berger

Der pakistanische Finanzminister Muhammad Aurangzeb ist am Sonntag in Washington eingetroffen. Der Mann, der in der neuen Regierung eine Schlüsselposition innehat, nimmt während seines Besuchs in den USA an der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank teil, die bis Sonntag dauert. Es geht dabei auch um Hintergrundgespräche zum Folgedarlehen, das sich Pakistan vom IWF erhofft. Am vergangenen Donnerstag ist das im Vorjahr vereinbarte Nothilfepaket in Höhe von drei Milliarden US-Dollar ausgelaufen. Wenn alles wie geplant erfolgt, könnten die zuständigen Stellen beim IWF Ende April die letzte Rate von 1,1 Milliarden Dollar zur Auszahlung freigeben. Der finale Geldfluss aus dem Nothilfeprogramm würde zumindest bis zum Ablauf des aktuellen Haushaltsjahres Ende Juni gewisse Ruhe bedeuten.

Es lasten große Erwartungen auf Aurangzeb, der nach den offensichtlich alles andere als freien und fairen Februarwahlen zum Finanzminister ernannt worden war. Eine kleine Überraschung: Denn der Mann, der nicht direkt zum politischen Establishment zählt, sondern zuletzt von 2018 sechs Jahre an der Spitze der Habib Bank stand, einer der größten Privatbanken des Landes, wurde bei der Postenbesetzung dem vierfachen Exfinanzminister Ishaq Dar vorgezogen, einem Schwergewicht der die Regierungskoalition anführenden Muslimliga (PML-N). Zumindest der Partei ist Aurangzebs Familie schon lange verbunden. Bis zum Putsch 1999 diente sein Vater in der Regierung von Nawaz Sharif, dem älteren Bruder des heutigen Premiers Shehbaz Sharif, als Generalstaatsanwalt.

Wie schlecht geht es der pakistanischen Wirtschaft momentan? Bei dieser Frage dürften die Einschätzungen im Detail etwas auseinandergehen. Denn Fakt ist, dass die Nothilfe des IWF zumindest eine weitere Eskalation der akuten Wirtschafts- und Finanzkrise vom Vorjahr abwenden konnte. Unter anderem waren der Übergangsregierung, die Pakistan in den Monaten von der Ankündigung der Wahl bis zur neuen Kabinettsbildung führte, mehr Entscheidungsbefugnisse als üblich eingeräumt worden. Doch gerade die mit dem Kredit verbundenen neoliberalen Privatisierungsauflagen, die nicht nur die nationale Airline PIA, sondern noch andere Staatsbetriebe betreffen, bleiben umstritten. Zudem haben gerade die Energiepreiserhöhungen jene Menschen besonders hart getroffen, die ohnehin nur mit Mühe über den nächsten Monat kommen. Das Fundament der Staatsfinanzen mögen die Beihilfen zumindest vor dem völligen Einsturz bewahrt haben – aber um den Preis einer Verschärfung der Situation der Armen, sei es in den weniger wohlhabenden Vierteln der Metropolen wie Karatschi und Lahore oder auf dem flachen Land, wo niemand aus der Politik die sich zuspitzende Not wahrnimmt.

Mit der fristgemäßen Rückzahlung von einer Milliarde Dollar in Euro-Bonds am 12. April erhöhen sich Pakistans Chancen auf die angestrebte mittelfristige Unterstützung vom IWF in Höhe von gleich sechs Milliarden Dollar. Die scheinen nötig, denn obwohl die Finanzreserven zuletzt wieder auf gut acht Milliarden Dollar angewachsen sind (gegenüber zeitweise nur noch 3,1 Milliarden vor einem Jahr), deckt das kaum mehr als die Importkosten für zwei Monate. Aber selbst ein neuer Kredit in dieser Größenordnung würde nicht das Grundproblem lösen. Denn das ist nicht nur die Finanzkrise an sich, sondern gerade der Umstand, dass Pakistan noch weiter in die Spirale der Überschuldung abrutscht. Schon im laufenden Kalenderjahr, schätzen Experten, fließen zwischen 50 und 60 Prozent aller Staatseinnahmen in den Schuldendienst. Neue Kredite von IWF oder bilateralen Geldgebern dienen damit vordergründig dazu, dass die Gläubiger aus früheren Beihilfen rechtzeitig ihre Zins- und Tilgungsraten erhalten. Schon heute machen die angehäuften Schulden mehr als 75 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Mit gut 99 Milliarden Dollar hat Pakistan außerdem die höchste Auslandsverschuldung der Welt.

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