20.03.2024 / Antifaschismus / Seite 15

Rechtsrocker aus dem Verkehr gezogen

Thüringen: Zwei Mitglieder der »Turonen«-Bande zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt

Kristian Stemmler

Sie dealten mit Drogen, veranstalteten Rechtsrockkonzerte in Thüringen und galten als äußerst gewalttätig: die nach einem angeblichen germanischen Stamm benannte, 2021 zerschlagene Neonazirockergruppe »Turonen«. Im zweiten Verfahren gegen Mitglieder der Bande hat das Landgericht Gera am vergangenen Freitag Haftstrafen verhängt. Steffen R. wurde wegen Drogenhandels zu zwölf Jahren Haft verurteilt, Markus B. wegen Drogenhandels und Verstoßes gegen das Waffengesetz zu neun Jahren.

Dem Urteil zufolge haben die beiden Männer, die von den Ermittlern zu den Führungskräften der Bande gerechnet wurden, über Monate hinweg die Region Saalfeld/Rudolstadt mit großen Mengen der Drogen »Crystal Meth« (Methamphetamin) und Kokain im Wert von mehr als einer Million Euro überschwemmt. Wegen des hohen Suchtpotentials der Drogen seien die Strafen hoch ausgefallen, erklärte das Landgericht. Die Staatsanwaltschaft hatte 14 beziehungsweise zwölf Jahre Gefängnis gefordert, die Verteidigung Freisprüche.

Die »Turonen«, auch »Bruderschaft Thüringen« genannt, waren eine faschistische, mit der organisierten Kriminalität verbundene Gruppe, die 2015 gegründet worden war. Sie orientierte sich mit einer strengen Hierarchie, entsprechenden Insignien und militärisch anmutenden Rängen an den Rockerklubs, verfügte mit der »Garde 20« über einen eigenen Supporterklub und galt als bestens vernetzt mit faschistischen militanten Strukturen wie »Blood and Honour« und den Hammerskins. Die »Turonen« waren unter anderem in der Rechtsrockszene aktiv, betrieben Plattenlabels und veranstalteten Konzerte, so im thüringischen Themar mit bis zu 6.000 Besuchern. Im Februar 2014 attackierte die Gruppe eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt (Landkreis Gotha), zehn Personen wurden zum Teil schwer verletzt.

Mit einem Großeinsatz, an dem rund 600 Polizisten beteiligt waren, wurde die Bande im Februar 2021 zerschlagen. Dabei wurden ein Kilo Heroin und »Crystal Meth«, Waffen und 120.000 Euro sichergestellt. Aus der Razzia resultierten die Verfahren vor dem Landgericht Gera. Im September 2023 verurteilte das Gericht im ersten Verfahren acht Mitglieder der »Turonen« – fünf Männer und drei Frauen – wegen Drogenhandels zu Haftstrafen, teilweise auf Bewährung. Die Staatsanwaltschaft ging in Revision, weil sie die Urteile als zu mild einschätzte.

Steffen R. und Markus B. wurden im Juni 2022 festgenommen, sie gehörten nach den Erkenntnissen der Ermittler zum engsten Führungszirkel der »Turonen«. R. war Gründungsmitglied der Gruppierung und organisierte laut Staatsanwaltschaft aus dem Hintergrund die Drogengeschäfte. Dafür soll er auch eine Bande im Raum Apolda genutzt haben, die von einem »Turonen« geführt wurde. Auch die Mitglieder dieser Drogenbande sind bereits verurteilt worden.

Kritik am Urteil des Landgerichts kam von Madeleine Henfling, innenpolitische Sprecherin der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Thüringer Landtag. Wie schon beim ersten Verfahren im September 2023 blieben auch die Urteile im zweiten Verfahren »hinter den Erwartungen zurück, da die Haftdauern hinter die Forderungen der Staatsanwaltschaft zurückfallen«, erklärte sie am Freitag. Trotzdem sei es ein »wichtiges Signal«, dass die beiden Angeklagten zu »tatsächlich empfindlichen Haftstrafen« verurteilt worden seien.

Die »Turonen« müssten im Kontext ihres »jahrelangen ungestörten Agierens als Hausgemeinschaft Jonastal, dem brutalen Überfall auf die Kirmesgesellschaft in Ballstädt und der Organisation von international besuchten Rechtsrockkonzerten in Thüringen« gesehen werden, sagte Henfling. Es sei bedauerlich, dass dieser rechte Hintergrund der »Bruderschaft Thüringen«, der auch für die Durchführung des Drogenhandels relevant sei, in beiden Prozessen nicht ausreichend berücksichtigt worden sei, kritisierte die Grünen-Politikerin.

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