20.03.2024 / Feuilleton / Seite 10

Wolf, Hochmuth, Habbema

Jegor Jublimov

In dieser Warenwelt, die alles unter sich begräbt, hat Schreiben nur noch Sinn als Selbstversuch, einschneidend, sezierend, die feinsten Verästelungen der Person herauspräparierend und bloßlegend», hat ­Christa Wolf geschrieben, die am 18. März 95 Jahre alt geworden wäre und 2011 starb. Oft ist die Autorin angeeckt, die sich für den Aufbau des Sozialismus in der DDR einsetzte, aber manche kritische Anmerkungen hatte – je nach politischer Wetterlage. Ihr erster großer Roman «Der geteilte Himmel» wurde 1964 von Konrad Wolf verfilmt; ein Klassiker, dessen Zulassung zeitweilig zurückgezogen wurde. Der Film «Fräulein Schmetterling», den sie gemeinsam mit ihrem Mann Gerhard Wolf schrieb, durfte 1966 nicht fertiggestellt werden und liegt erst seit 2021 in einer rekonstruierten Fassung vor. Und Rainer Simons Film «Till Eulenspiegel» (1975) nach einer Filmerzählung des Ehepaars Wolf konnte nicht wie vorgesehen in einer zwei­teiligen Fassung gedreht werden.

Filmemachen ist oft eine ebenso kitzlige Angelegenheit wie das Schreiben. Auch Dietmar Hochmuth musste das lernen, nachdem er bei Fernsehauftritten Blut geleckt hatte. Er sang im Kinderchor des Berliner Rundfunks, mit dem er auch im DFF auftrat – beispielsweise in Heinz Quermanns großer Showreihe «Da lacht der Bär». Den phantasievollen Amateurfilmer nahm die Defa als Volontär, er assistierte Egon Günther. Ein Regiestudium in Moskau bei Georgi Danelija (berühmt durch die poetische Komödie «Das Gastmahl der Rose») schloss sich an. Danach betraute ihn die Defa 1982 mit der Regie des Kinderfilms «Mein Vater ist ein Dieb». Doch der Umgang der Defa mit Absolventen war inkonsequent, und so musste Hochmuth wieder als Regieassistent arbeiten, ehe er nach sechs Jahren die verrückte Liebeskomödie «In einem Atem» nach einer Erzählung von Wladimir ­Makanin drehen konnte, die auch auf den Festivals in Saarbrücken und Kiew im Wettbewerb lief. Seine Erfahrungen mit den Filminstanzen der DDR verarbeitete er in «Motivsuche», der Geschichte eines Defa-Regisseurs. Anspruch und Wirklichkeit in der DDR zeigten auch auf anderen Gebieten eine Diskrepanz, so dass der Film Allgemeingültigkeit aufwies. Als er im Sommer 1990 herauskam, fand er nicht die Aufmerksamkeit, die er verdient hätte. In den folgenden Jahren drehte Hochmuth noch einige Essayfilme, war Dozent unter anderem in Kalifornien und Köln, kuratierte Ausstellungen und ist bis heute, da er am Donnerstag 70 wird, in filmpolitischen Gremien aktiv.

Am selben Tag ist der 80. Geburtstag von Cox Habbema, die 2016 in ihrer Heimatstadt Amsterdam starb und ab 1967 für knapp zwei Jahrzehnte das kulturelle Leben in der DDR mitprägte. Sie war Ensemblemitglied am Deutschen Theater, spielte in zahlreichen Defa- und DFF-Filmen (u. a. 1976 «Die Regentrude», 1977 «Die unverbesserliche Barbara») und entwickelte sich zu einer Regisseurin, die sich besonders um das Werk von Peter Hacks verdient machte. 1986 wurde sie Intendantin eines Amsterdamer Theaters und trat im niederländischen Fernsehen auf.

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