11.03.2024 / Inland / Seite 4

Nur »das Beste« für Kiew

Union will Lieferungen von Marschflugkörpern an Ukraine im Bundestag mehrfach auf die Agenda setzen. London und Grüne für Ringtausch offen

Kristian Stemmler

Die Union will den Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) weiter erhöhen: In einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses an diesem Montag sollte Scholz zu seiner Position in Sachen TAURUS-Marschflugkörper in die Mangel genommen werden. Doch der Sozialdemokrat lehnte ein Erscheinen ab. Also müsse Scholz nun am Mittwoch »Rede und Antwort vor dem gesamten Plenum stehen«, erklärte der CDU-Verteidigungspolitiker Johann Wadephul gegenüber dem Münchner Merkur vom Sonntag. Es gebe »eine ganze Reihe von Fragen zu TAURUS und der Abhöraffäre«, die nur der Kanzler beantworten könne.

Dieser habe laut Wadephul »den Eindruck erweckt, britische und französische Soldaten seien bereits vor Ort in der Ukraine, und das sei bei einem TAURUS-Einsatz für deutsche Soldaten ebenso notwendig«. Dies werde mittlerweile von »führenden Verteidigungspolitikern« der Ampel bestritten. Wadephul behauptete ferner, die Aussagen der Luftwaffenoffiziere aus dem abgehörten Gespräch stünden »im absoluten Widerspruch zu Aussagen von Scholz«. Henning Otte (CDU), stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, stieß ins selbe Horn. Von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) forderte er in der Rheinischen Post und dem Bonner General-Anzeiger Aufklärung, ob deutsche Soldaten für den TAURUS-Einsatz in der Ukraine gebraucht würden. Pistorius soll in der Sondersitzung des Ausschusses befragt werden.

Die Unionsfraktion hat mittlerweile einen zweiten Antrag für den Bundestag vorbereitet, in dem sie eine umgehende Lieferung der Marschflugkörper an die Ukraine verlangt. Trotz vieler Befürworter in der FDP und bei Bündnis 90/Die Grünen war der Union am 22. Februar nicht die vollständige Spaltung der Ampelkoalition gelungen. »Die Union will den TAURUS dafür nutzen, die Koalition zu zerschießen«, schimpfte der SPD-Verteidigungspolitiker Andreas Schwarz gegenüber dem Tagesspiegel vom Sonnabend über den zweiten Anlauf. Die namentliche Abstimmung soll am kommenden Donnerstag stattfinden.

Von der Seitenlinie kam allerdings aus der Union auch Unterstützung für Scholz. So erklärte der frühere Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger und Focus online »die grundsätzliche Position des Bundeskanzlers, mit Bedacht und Besonnenheit zu handeln, um nicht Kriegspartei zu werden«, für »richtig«. Die Bedeutung von TAURUS-Lieferungen für den Kriegsverlauf werde überschätzt, sagte Laschet.

Am Wochenende hatte sich auch der britische Außenminister David Cameron zu Wort gemeldet. In einem am Freitag abend online veröffentlichten Interview mit der Süddeutschen Zeitung schloss er auf Nachfrage einen Ringtausch zwischen der Ukraine, dem Vereinigten Königreich und der BRD nicht aus. »Wir sind bereit, uns alle Optionen anzuschauen, um den maximalen Effekt für die Ukraine zu erzielen.« Dabei würde Deutschland seine TAURUS-Marschflugkörper an das britische Arsenal abgeben und London seinerseits weitere Flugkörper vom Typ »Storm Shadow« an die Ukraine liefern. So könne Deutschland die Ukraine indirekt unterstützen, ohne dass TAURUS-Raketen mit ihrer hohen Reichweite ins Kriegsgebiet geliefert würden. Die Sorge von Scholz, die Lieferung von Marschflugkörpern könne zu einer Eskalation des Ukraine-Krieges führen, erklärte Cameron für unbegründet. Es sei »absolut möglich, Beschränkungen beim Einsatz dieser Waffen festzulegen, um sicherzustellen, dass sie in keiner Weise zu einer Eskalation beitragen«.

Bei der Union stößt die Tauschidee auf Ablehnung. Zur Verhinderung einer »ukrainischen Niederlage« gehöre die Lieferung des »besten Systems«, sagte Wadephul gegenüber der Rheinischen Post – und das sei TAURUS. »Kein Ringtausch kann ihn ersetzen.« Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzender des Europaausschusses im Bundestag, erklärte dagegen gegenüber den Zeitungen der Funke-Gruppe, dass ein solcher Deal mit London »eine Möglichkeit« sei, bevor die Ukraine »gar keine weiteren Marschflugkörper bekommt«.

https://www.jungewelt.de/artikel/471050.waffenlieferungen-an-ukraine-nur-das-beste-für-kiew.html