29.02.2024 / Kapital & Arbeit / Seite 9

Streiks in Griechenland

Gewerkschaften protestieren gegen Kürzungspolitik und erinnern an Zugunglück

Raphaël Schmeller

Ein 24stündiger Streik gegen die Regierungspolitik hat Griechenland am Mittwoch lahmgelegt. Nach Aufrufen der großen Gewerkschaften stand der öffentliche Nahverkehr still, Teile der Fährbesatzungen traten in den Ausstand, die Taxifahrer streikten den zweiten Tag in Folge. Auch der öffentliche Dienst und das Krankenhauspersonal legten die Arbeit nieder. Behörden und Schulen blieben geschlossen, der Müll wurde nicht abgeholt.

Die Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes (ADEDY) kritisierte in ihrem Streikaufruf, dass die Gehälter während der Finanzkrise um 40 Prozent gesunken und seitdem nicht angepasst worden seien. »Ein neu eingestellter Lehrer, der mit einer Miete von 350 bis 500 Euro pro Monat auf einer Insel unterrichten soll, erhält monatlich 734 Euro netto, ein Krankenpfleger 680 Euro«, heißt es von seiten der Gewerkschaft ADEDY.

Seit der Finanzkrise hat sich das Land gemessen am BIP zwar leicht erholt, doch bei der Bevölkerung kommt das nicht an: Sie ist nach wie vor ärmer als der EU-Durchschnitt. Trotzdem kündigte der rechte Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis Anfang des Jahres eine Privatisierungswelle und weitere Kürzungen an.

Wohin diese Politik führt, konnten die Griechen vor genau einem Jahr auf der Bahnstrecke Athen–Thessaloniki beobachten. Nahe der Kleinstadt Tempi ereignete sich das schwerste Zugunglück in der Geschichte des Landes, als ein Schnellzug frontal mit einem Güterzug zusammenstieß und 57 Menschen starben.

Die Gewerkschaften, die bei den Demonstrationen an das Unglück erinnerten, machen die Politik für schwere Versäumnisse bei der griechischen Eisenbahn verantwortlich. Die Untersuchungen, die noch lange nicht abgeschlossen sind, zeigen, dass die Bahn über Jahrzehnte kaputtgespart wurde. Im ganzen Land läuteten am Mittwoch um 10 Uhr die Kirchenglocken 57 Mal. Am Unglücksort in der Gemeinde Tempi fand eine Gedenkveranstaltung statt. Politiker waren ausdrücklich nicht erwünscht.

https://www.jungewelt.de/artikel/470641.eisenbahnunfall-von-tembi-streiks-in-griechenland.html