14.02.2024 / Antifaschismus / Seite 15

Instrumentalisierte Erinnerung

Italien: Faschisten nutzen Gedenken an »Foibe-Massaker« zur Geschichtsrelativierung

Gerhard Feldbauer

Italienische Antifaschisten haben Versuche der rechten Giorgia-Meloni-Regierung und ihres Anhangs, die Verbrechen der italienischen Faschisten an der Seite der Naziwehrmacht in Jugoslawien zu relativieren, zurückgewiesen. Einen von der Regierung unter Silvio Berlusconi 2004 eingerichteten Gedenktag für die »Foibe-Massaker« nutzten am 10. Februar im lombardischen Varese Faschisten von Casa Pound, Fiamma Tricolore und Forza Nuova, um sich unter Zeigen des »römischen Grußes« zu versammeln und gegen die jugoslawischen Partisanen zu hetzen. Die hätten im Herbst 1943 und im Frühjahr 1945 in Julisch Venetien und in den istrischen und dalmatinischen Küstengebieten Tausende italienische Zivilisten umgebracht und in die Karsthöhlen, die sogenannten Foiben, geworfen.

Tatsächlich gab es in der Schlussphase des Zweiten Weltkrieges Hinrichtungen durch Partisanen. Aber eine von der italienischen und der slowenischen Regierung gebildete Kommission bestätigte 1993, dass es dabei »um die Verantwortlichen und Mittäter faschistischer und nationalsozialistischer Verbrechen, um ihre Verfolgung und Bestrafung« ging. Dokumente zeigen, dass es sich größtenteils um Personen handelte, die an der faschistischen Diktatur und der Kollaboration beteiligt waren, insbesondere als Mitglieder militärischer, paramilitärischer und polizeilicher Formationen. Es kam dabei aber auch, wie jetzt auch der italienische Partisanenverband ANPI nicht verschwieg, zu Fällen persönlicher Rache, verbunden mit Ressentiments gegen Italiener.

ANPI-Präsident Gianfranco Pagliarulo wies darauf hin, dass die Hetze gegen den jugoslawischen wie den italienischen Antifaschismus – und der damit verbundene Geschichtsrevisionismus – den Angriff der deutschen und italienischen Faschisten auf das Königreich Jugoslawien im April 1941 vergessen machen sollen. Ohne Mussolinis Überfall würden Istrien und Dalmatien noch heute Teil Italiens sein und Tausende von Flüchtenden hätten das Land, in dem sie geboren und aufgewachsen sind, nicht verlassen müssen. Der Nationalsekretär der Kommunistischen Partei Italiens (PCI) Mauro Alberesi, erinnerte daran, dass der Widerstand gegen die Okkupation durch Deutschland und Italien unter den Partisanen und der Zivilbevölkerung Jugoslawiens eineinhalb Millionen Todesopfer forderte.

Auf dem Gebiet des heutigen Kroatiens, von Bosnien-Herzegowina und Teilen Serbiens bildeten Hitler und Mussolini den Marionettenstaat Kroatien. Die kroatischen Faschisten der Ustascha übernahmen die Nürnberger Rassengesetze und ermordeten Hunderttausende Serben, Kroaten, Juden und Sinti. Wie aus 1975 in den USA freigegebenen Dokumenten hervorging, raubte das Ustascha-Regime von diesen Ermordeten außerdem Vermögen im Wert von 350 Millionen Schweizer Franken.

Die italienische Ministerpräsidentin Meloni, die sich in Tokio kürzlich mit einem Besuch am Yasukuni-Schrein, der den japanischen Kriegsverbrechern gewidmet ist, zu deren millionenfachen Völkermord bekannte, hatte keine Skrupel, sich am Foibe-Denkmal bei Triest mit einer Kranzniederlegung zu militärischen Ehren an dem faschistischen Geschichtsrevisionismus zu beteiligen. Die Senatorin der Demokratischen Partei (PD) Tatjana Rojc erklärte, dass mit dem Schüren von Ressentiments das Ziel verfolgt werde, »das Schlimmste wiederzubeleben«, das es in der italienischen Geschichte gab. Die Sekretärin der PD der Provinz Triest, Laura Famulari, sagte, »diese Instrumentalisierungen« durch diesen »Gedenktag« trügen dazu bei, »ein Klima wieder aufleben zu lassen, von dem man hoffte, es überwunden zu haben«.

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