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Aus: Ausgabe vom 13.05.2024, Seite 8 / Ansichten

Konträre Modelle

Beziehungen EU-Europa und China
Von Jörg Kronauer
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Beinahe hätten sie sich in der Luft begegnen können: Während Außenministerin Annalena Baerbock Anfang vergangener Woche die Pazifikregion bereiste und schließlich von Fidschi aus nach Berlin zurückflog, hielt sich Chinas Präsident Xi Jinping in Europa auf, um von Budapest aus in die Volksrepublik heimzukehren. So gegenläufig ihre Reiserouten waren, so diametral entgegengesetzt waren allerdings auch ihre politischen Anliegen; es ging jeweils um Kooperation und Konfrontation.

Baerbocks Reiseroute führte die Ministerin in einem weiten Bogen um China – und zwar genau dort entlang, wo entweder Verbündete gegen die Volksrepublik zu finden sind wie in Australien und in Neuseeland oder wo erbittert um die Vorherrschaft gekämpft wird wie in Fidschi, einem Staat mit zentraler Bedeutung in der pazifischen Inselwelt. Baerbock gelang es, die Bündnisse mit Australien und Neuseeland in gewisser Hinsicht zu festigen; dabei ist klar: Beide Staaten verstehen sich vorrangig als Verbündete der Vereinigten Staaten, Neuseeland unter seiner neuen rechtslastigen Regierung, die einen Teilbeitritt zum AUKUS-Pakt in Betracht zieht, noch mehr als zuvor. Beide sind bemüht, den westlichen Einfluss im Pazifik gegen China zu sichern; Berlin will sich, siehe Baerbocks Abstecher nach Fidschi, daran beteiligen. Dass die Außenministerin nebenbei drohte, Berlin könne die beiden Kriegsschiffe der Deutschen Marine, die gerade in Richtung Pazifik aufgebrochen sind, durch die Straße von Taiwan schicken wie einst Wilhelm II. die kaiserliche Flotte im Rahmen imperialistischer Kanonenbootpolitik, passt ins Bild.

Xi ging den umgekehrten Weg, auch politisch. China unternimmt seit Jahren so gut wie alles, um einen festen antichinesischen Schulterschluss der transatlantischen Mächte zu verhindern. Dazu dient ihm insbesondere der Ausbau der Wirtschaftskooperation. War Xi bei seinem Treffen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bemüht, die Spannungen zu dämpfen und eine Eskalation der EU-Strafzölle und -Sanktionen gegen die Volksrepublik zu verhindern, so zielte er in Serbien und vor allem in Ungarn auf eine Intensivierung der ökonomischen Zusammenarbeit. Ungarn dient China dabei vor allem auch als Verbündeter beim Versuch, die EU-Märkte zu beliefern; im ostungarischen Debrecen etwa baut der chinesische Batteriehersteller CATL eine Batteriefabrik, in Szeged hat der chinesische Elektroautohersteller BYD begonnen, ein Werk zur Fertigung von Elektroautos zu errichten. Ungarn solle »eine größere Rolle in der EU spielen und auf eine neue und bessere Entwicklung der Beziehungen zwischen China und der EU drängen«, betonte Xi.

In gewisser Weise haben Baerbock und Xi mit ihren gegenläufigen Reiserouten die Leitmotive ihrer jeweiligen Politik markiert. Natürlich gibt es abweichende Momente – in der deutschen Wirtschaft bestehen nach wie vor starke Interessen an einer Kooperation, die Berlin berücksichtigen muss. Die Spannungen zwischen beiden Seiten aber nehmen zu – und das kontinuierlich.

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