27.04.2024 / Inland / Seite 2

Polizei verbietet Palästina-Camp

Räumung vor dem Reichstag. jW ruft zur Verteidigung von Grundrechten auf

Nick Brauns

Die Berliner Polizei hat am Freitag ein Protestcamp gegen Israels Krieg in Gaza und dessen Unterstützung durch die Bundesregierung auf der Wiese vor dem Reichstagsgebäude verboten. Aufgrund wiederholter Straftaten und Auflagenverstöße sei eine Gefahrenprognose neu erstellt worden, lautete die Begründung. Die Veranstalter legten laut eigenen Angaben einen Eilantrag gegen das polizeiliche Verbot eingelegt.

Polizisten begannen mit dem Abbau von Zelten, es gab mehrere Festnahmen. Auf der Wiese nahe dem Sitz des Bundestages versammelten sich rund 200 Menschen, um gegen die Räumung zu protestieren. Die Polizei wertete dies als Ersatzveranstaltung und nahm mehrere Demonstranten gewaltsam fest. So seien Ersatzveranstaltungen berlinweit bis Mitte Mai verboten, wie eine Polizeisprecherin gegenüber jW bestätigte.

Dem Verbot vorangegangen war die mediale Diffamierung des seit rund zweieinhalb Wochen bestehenden Zeltlagers als »Hamas-Camp« (B. Z.) obwohl dort etwa jüdische Gegner von Israels Besatzungspolitik das Pessachfest gefeiert hatten. Die Vorwürfe gegen das Camp wies Udi Raz vom Zusammenschluss »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost« zurück. Man habe sich versammelt, um gemeinsam darauf aufmerksam zu machen, dass die deutsche Regierung und der Bundestag mitschuldig am andauernden Genozid seien, so Raz am Freitag gegenüber jW.

Das Muster ist bekannt. Auch der Palästina-Kongress vor zwei Wochen war zuerst von Medien und Politik zum »Judenhasserkongress« erklärt, dann von der Polizei gestürmt und verboten worden. Für einige Beteiligte hat ihr Engagement gar existentielle Folgen. So ließ der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg im Anschluss zwei queerfeministische Jugendzentren schließen, weil die Geschäftsführerin des Trägervereins als Privatperson auf dem Kongress reden sollte.

Der Umgang mit der Palästinafrage ist längst zu einem Lackmustest für bürgerliche Freiheiten geworden, wie Rechtsanwältin Nadja Samour als juristische Beraterin der Kongressveranstalter gegenüber dieser Zeitung erklärte. Es geht den Regierenden nicht nur darum, Kritik an der deutschen Unterstützung von Israels Kriegspolitik zu unterdrücken. Hier werden vielmehr die repressiven und propagandistischen Instrumente erprobt, mit denen die deutsche Gesellschaft kriegstüchtig gemacht werden soll.

Die Tageszeitung junge Welt will das so nicht stehen lassen. Darum laden wir für den 4. Mai zur auch im Livestream übertragenen Veranstaltung »Heimatfront begradigen: Grundrechte schleifen!« in die Maigalerie ein. Über die Frage »Wer verteidigt Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit?« diskutieren wir dort mit Wieland Hoban von der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost, dem Berliner Linke-Abgeordneten Ferat Koçak, Juristen und Gewerkschaftern. Mit unserer am 8. Mai erscheinenden Sonderbeilage »Wir klagen an!« wollen wir zudem einige der unterdrückten Beiträge des Palästina-Kongresses veröffentlichen.

https://www.jungewelt.de/artikel/474205.heimatfront-begradigen-polizei-verbietet-palästina-camp.html