11.04.2024 / Betrieb & Gewerkschaft / Seite 15

Antikriegsstreiks an Unis

Italien: Tausende Studenten, Lehrer und Forscher gegen Zusammenarbeit mit israelischen Hochschulen

Gerhard Feldbauer

Gegen die vom italienischen Außenministerium (Ministero degli Affari Esteri e della Cooperazione Internazionale, MAECI) betriebene verstärkte Fortsetzung von militärischen Hochschulkooperations- und Forschungsabkommen italienischer Universitäten mit Israel haben am Dienstag Tausende Universitätsstudenten mit Lehrern und Forschern protestiert und deren Ende gefordert. Dem Aufruf der Basisgewerkschaft Unione Sindacale di Base (USB) an den Universitäten folgten die Studenten, Professoren und Universitätsmitarbeiter an über 25 Universitäten, darunter in Rom, Padua, Siena und Bari, wo zu dieser Zeit die jeweiligen akademischen Senate tagten. In Rom zogen vor dem Palazzo della Farnesina, dem Sitz des Außenministeriums, Demonstranten auf, um gegen die MAECI-Komplizenschaft mit dem völkermörderischen israelischen Staat zu protestieren.

Verstoß gegen Völkerrecht

Den Auftakt hatte ein Aufruf von Lehrern, Forschern, Technikern und Mitarbeitern von Universitäten und Forschungseinrichtungen im Februar gegeben, die forderten, die MAECI-Projekte für industrielle, wissenschaftliche und technologische Projekte zwischen Italien und Israel auszusetzen. Sie stellten nicht nur die Gefahr eines Verstoßes gegen das Völkerrecht dar, sondern die italienischen Institutionen setzten sich auch dem Vorwurf aus, sie kämen ihrer zwingenden Pflicht zur Verhinderung von Völkermord gemäß der Konvention zur Verhütung und Bestrafung des Völkermords nicht nach. Dazu hatte der Aufruf darauf verwiesen, dass die Zahl der durch die israelische Armee in Gaza verursachten Todesfälle die »monströse Zahl« von 33.000 überschritten hat. Zu Beginn des Streiks am Dienstag hatte der Aufruf 2.500 Unterschriften erhalten, darunter von der Scuola Normale Superiore von Pisa, den Universitäten Turin, Bologna und Bari, wie das linke Magazin Contropiano berichtete, das dabei betonte, dass die Enthüllungen nur die Spitze des Eisbergs der umfassenderen Verbindungen zwischen Universitäten, der Kriegsindustrie und der Komplizenschaft mit dem Besatzungs- und Apartheidsystem in Palästina seien. So wurde u. a. bekannt, dass 2023 an der Universität Tel Aviv das auf künstlicher Intelligenz (KI) basierende Zielerfassungssystem »Lavender« vorgestellt wurde und es, wie die israelische Zeitung Haaretz berichtete, in einem geheimen Datenwissenschafts- und KI-Zentrum der Einheit 8200 der israelischen Armee unter Oberst Yoav, erprobt wird.

Der Streik an den Universitäten zeuge davon, dass die Spannungen mit dem Krieg im Nahen Osten in der Öffentlichkeit Tag für Tag zunehmen und die Front, die eine Beendigung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit des MAECI mit Israel fordert, immer breiter wird, vermerkte beunruhigt auch die staatliche Nachrichtenagentur ANSA. An der Universität Florenz haben über 200 Professoren, Doktoranden und Verwaltungstechniker einen weiteren Aufruf unterzeichnet, in dem sie ihre Kollegen auffordern, »sich der Genehmigung von Projekten mit Israel zu widersetzen«. Während des Streiks gab es vielseitige Aktivitäten der Studenten, die von Flashmobs mit palästinensischen Flaggen über Ausstellungen der Fakultäten »zum Thema Völkermord« bis hin zu gemeinsamen öffentlichen Versammlungen mit Lehrern, Forschern und Arbeitern reichten. Losungen und Sprechchöre forderten: »Stoppt die universitäre Forschung für militärische Zwecke! ›Nein‹ zum MAECI-Abkommen zwischen Italien und Israel.«

NATO nicht willkommen

Aufsehen erregt hatten am Wochenende auch italienische Kriegsgegner mit Protesten gegen Feierlichkeiten anlässlich des 75. Jahrestags der NATO in Neapel. Dabei kam es zu schweren Zusammenstößen zwischen Demonstranten, die auch Solidarität mit Palästina forderten, und der Polizei. Die Demonstranten versuchten ein Konzert im Teatro San Carlo zu verhindern und die Sicherheitskette der in Kampfausrüstung angerückten Polizei in der Via Toledo zu durchbrechen. Die ging mit Schlagstöcken gegen die Protestierenden vor. Dabei wurden mindestens acht Demonstranten verletzt.

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