junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Freitag, 17. Mai 2024, Nr. 114
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 02.05.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Klimawandel

Globaler Süden in der Rohstoffalle

Energiewende treibt Ressourcenabbau voran. UN-Bericht warnt vor Exportabhängigkeit armer Länder
Von Wolfgang Pomrehn
O-LITHIUM.JPG
Die UNO geht davon aus, dass sich der Bedarf an Lithium schon bis 2030 fast vervierfachen könnte (Lithiumfelder in der Wüste Atacama in Chile)

Durch den Umbau der globalen Industrie und Energieversorgung wächst die Nachfrage nach einigen Rohstoffen stark. Turbinen von Windenergieanlagen, E-Autos, Brennstoff- und Solarzellen brauchen Metalle wie Kupfer, Kobalt oder seltene Erden. Die UN-Organisation für Handel und Entwicklung (UNCTAD) geht in einem aktuellen Bericht davon aus, dass sich schon bis 2030 der Bedarf etwa an Lithium, Kobalt und Kupfer annähernd vervierfachen könnte. Bis 2050 könnte demnach sogar das 15fache der heutigen Mengen geschürft werden. Das sei für viele der ärmeren Länder eine Chance, aber auch ein nicht unerhebliches ökonomisches Risiko.

Bedenklich wird diese Entwicklung vor allem, wenn die Exporteinnahmen eines Landes zu mehr als der Hälfte nur von einem oder wenigen Rohstoffen abhängen. Dann ist dieses auf Gedeih und Verderb den Launen dieses Marktes ausgeliefert. Zudem droht seiner Wirtschaft die sogenannte holländische Krankheit. So bezeichnen Ökonomen den Effekt, den umfangreiche Rohstoffexporte auf die übrigen Wirtschaftszweige eines Landes haben, wie dies in den Niederlanden zu Beginn des Erdgasbooms in den 1960er Jahren der Fall war. Durch die sprudelnden Exporteinnahmen wird die heimische Währung gestärkt, was Importe verbilligt. Das wiederum wird für die heimische Industrie zum Problem, die mit der ausländischen Konkurrenz aufgrund dieser Wechselkursverschiebungen nicht mehr mithalten kann. Außerdem bekommen die anderen Sektoren Schwierigkeiten, Kapital anzuziehen, da dies vor allem dorthin fließt, wo es den meisten Profit gibt. Zudem können sich zwischen der Rohstoffindustrie und den anderen Wirtschaftszweigen enorme Einkommensunterschiede ergeben.

Zusätzliche Abhängigkeiten entstehen, da es vielen ressourcenreichen Ländern an Kapital mangelt, um Vorkommen zu erschließen und sie möglichst im Land weiterzuverarbeiten, was die Wertschöpfung erhöhen würde. Das ermöglicht oft großen internationalen Bergbaumultis aus Europa, Nordamerika oder auch Brasilien den Zugriff auf die Rohstoffe und den Abbau zu ihren Bedingungen. Solche Abhängigkeiten behindern die wirtschaftliche Entwicklung und reproduzieren Ungleichheit in zahlreichen Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Asiens, heißt es bei der UNCTAD. Betroffen seien derzeit gut die Hälfte der 193 UNO-Mitglieder.

Abgesehen von den ökonomischen Problemen bedeutet der Ressourcenabbau überdies einen erheblichen Eingriff in die Umwelt, der die Lebensgrundlagen der Anwohner in der Nachbarschaft etwa von Gruben und Tagebauen zerstört und deren Gesundheit gefährdet. Zudem kommt es im Zusammenhang mit dem sich daraus entwickelnden Widerstand gegen die Projekte oft zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen. UN-Generalsekretär António Guterres versucht, der Probleme mit einem neuen UN-Gremium Herr zu werden, das am Freitag vergangener Woche eingerichtet wurde. Die Klimaschutzpolitik dürfe nicht »auf den Armen herumtrampeln«, so Guterres.

Unter dem Vorsitz der EU-Kommission und Südafrikas soll eine neue Arbeitsgruppe, das »UN panel on critical energy transition minerals«, bis zur jährlichen UN-Generalversammlung im September einen Entwurf für Verhaltensrichtlinien für Regierungen und Konzerne rund um den Ressourcenabbau erarbeiten. Diese sollen jedoch freiwillig bleiben. Beteiligt sind an der Arbeitsgruppe unter anderem die Afrikanische Union, China, die USA, die Demokratische Republik Kongo, Namibia und Simbabwe. Mit dabei sind auch die Weltbank, die Internationale Energieagentur, ein Interessenverband der Bergbaukonzerne und der Internationale Gewerkschaftsbund Industri-ALL Global Union. Wichtige Rohstoffländer wie Russland oder Argentinien sind nicht beteiligt. Auch die Interessen indigener Bevölkerungsgruppen, die oft etwa unter Bergbauprojekten zu leiden haben, sind nicht vertreten.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (1. Mai 2024 um 21:27 Uhr)
    Wenn durch den Vorsitz der Bock zum Gärtner gemacht wird, kann man sich vorstellen, welche Ergebnisse das »UN panel on critical energy transition minerals« liefern wird. Die Mitgliederliste der AG lässt in weiten Teilen auch nichts gutes hoffen. Schaut man sich die deutsche Wasserstoffstrategie und was sie z. B. für Namibia im Angebot hat, an, kann man abschätzen, dass die Rohstofffalle schon aufgestellt ist. Welche Rolle China und die AU spielen werden, sollte man sich genau anschauen.

Ähnliche:

Mehr aus: Kapital & Arbeit