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Hungern gegen Terrorparagraph

Protestaktion in Berlin: Freilassung von vier türkeistämmigen Aktivisten aus Untersuchungshaft gefordert

Der Streik geht ihr unter die Haut. Eda Haydaroglu hat seit 70 Tagen nichts gegessen. Zehn Kilo hat sie schon abgenommen. Die magere 22jährige sitzt am roten Stand vor der Grimm-Bibliothek der Berliner Humboldt-Universität. Es gibt Tee und eine Petition zum Unterschreiben. Aus einem Lautsprecher dröhnt Musik der linken türkeistämmigen Band »Grup Yorum«. Sie trägt trotz milden 20 Grad Celsius eine Leggins unter ihrer Jeans und zwei Pullover. »Ich friere sehr schnell«, sagt sie. Eine andere junge Frau ist dafür zuständig, sie mit ausreichend Wasser, Salz, Zucker und Vitamin B1 zu versorgen.

Seit Wochen protestiert das »Grup Yorum Solidaritätskomitee« mit einem Stand vor dem Justizministerium in Berlin oder vor besagter Unibibliothek. »Weg mit den Paragraphen 129 a und 129 b« steht auf einem Schild. Auch andere Mitglieder des Komitees sind in den Hungerstreik getreten. Özgül Emre, Ishan Cibelik und Serkan Küpeli sitzen wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft oder Unterstützung einer »terroristischer Vereinigungen im Ausland« seit rund einem Jahr in Untersuchungshaft, ohne dass eine Anklageschrift vorliegt. Ihre von der Justiz vermutete Mitgliedschaft in der linken, antiimperialistischen »Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front« (DHKP-C) aus der Türkei muss erst noch gerichtlich festgestellt werden. Laut Bundesanwaltschaft unterhält die DHKP-C in Europa eine Auslandsorganisation, die der Finanzierung, der Rekrutierung von Kämpfern und der Beschaffung von Waffen diene. Die lange Untersuchungshaft wird von den Behörden mit Fluchtgefahr begründet, obwohl alle vier Inhaftierten fest in ihr Leben in der BRD eingebunden sind. Küpeli war als Student in Hamburg eingeschrieben und wurde 15 Tage vor seiner Verhaftung zum ersten Mal Vater. Ihsan Cibelik ist Musiker von »Grup Yorum«.

Der Berliner Linke-Abgeordnete Ferat Kocak hatte den Stand des Komitees am Mittwoch besucht. »Ich finde es sehr traurig, dass mitten in unserer Stadt Menschen mit Migrationsgeschichte für ihre Genossinnen und Genossen, für politisch linke Gefangenen in Deutschland und gegen den Naziparagraphen 129, mit dem auch heute noch Linke, Antifaschisten, Klimaaktivisten und in diesem Fall Internationalisten kriminalisiert werden, seit 70 Tagen in Hungerstreik sind und die Solidarität ausbleibt«, sagte Kocak am Donnerstag gegenüber junge Welt. Es sei ganz deutlich zu erkennen, dass hier der verlängerte Arm der türkischen AKP/MHP-Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdogan bis hinein in die Justiz wirke. Unabhängig davon, was man von dieser Protestform in Freiheit auch halte und berechtigterweise auch kritisiere, unterstütze er die linken Aktivisten, die gegen diese Repression protestieren.

»Natürlich habe ich Angst, aber das Risiko gehe ich aus Solidarität mit meinen inhaftierten Genossen ein«, antwortete Haydaroglu auf die Frage nach Langzeitfolgen des Hungerstreiks. Im Juni sollen die Verfahren in Düsseldorf beginnen, ein genauer Termin steht noch nicht fest.

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