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Lohnplus erkämpft
Tarifabschluss bei Lufthansa
Die Beschäftigten der Lufthansa-Bodendienste kriegen ein wenig ab von den reichlich sprudelnden Profiten. Verdi und die Geschäftsleitung einigten sich diese Woche auf Lohnerhöhungen für die rund 20.000 Mitarbeiter, die an den Schaltern, bei der Gepäckabwicklung, in der Technik und weiteren Bereichen arbeiten. Ein rückwirkend ab 1. Juli gezahlter Festbetrag von 200 Euro erhöht vor allem die Einkommen der unteren Lohngruppen überdurchschnittlich. Zum 1. Januar 2023 soll es noch einmal 2,5 Prozent, mindestens aber 125 Euro monatlich, zum 1. Juli dann weitere 2,5 Prozent geben. Die Verhandlungsleiterin auf Gewerkschaftsseite, Christine Behle, lobte den Abschluss als gut, da er allen Beschäftigten Entgelterhöhungen zwischen monatlich 377 Euro im Minimum bis zu 498 Euro bringt. Der ab Oktober geltende Lufthansa-Mindestlohn liegt mit 13 Euro pro Stunde über dem gesetzlichen. So weit, so gut. Die größte bundesdeutsche Fluggesellschaft kann sich dieses Lohnplus ohne weiteres leisten. Was der Abschluss wert ist, wird sich in den kommenden Monaten zeigen, wenn die Energiepreissteigerungen vollständig umgelegt werden und sich Lebensmittel weiter verteuern dürften. 300, 400 Euro mehr im Monat können durch solche Mehrbelastungen schnell draufgehen.
Dass Lufthansa für das zweite Quartal 2022 einen operativen Gewinn von 393 Millionen Euro ausweist, ist allerdings bemerkenswert. Wie groß war die Klage während der Coronapandemie wegen des darniederliegenden Flugbetriebs, wie tief durfte die Bundesregierung ins Steuersäckel greifen, um die Airline zu stützen. Die wiederum reduzierte trotzdem die Mitarbeiterzahl, ebenso wie sie die Flotte verkleinerte. Das wirkt sich nun positiv auf die Auslastung der Flugzeuge aus, denn geflogen wird inzwischen beinahe wieder wie auf Vor-Pandemie-Niveau – gegenüber dem Vorjahreszeitraum beförderte Lufthansa mehr als viermal so viele Passagiere, insgesamt etwa 42 Millionen zwischen Januar und Juni dieses Jahres. Auch in den Sparten Fracht und Technik verdiente die Airline prächtig. Die Lohnerhöhung für die Bodenbeschäftigten dürfte also zu verschmerzen sein. Zumal Lufthansa dringend neues Personal benötigt, so dass die 180 Euro mehr für Auszubildende auch eine Investition in den Nachwuchs sind. Aus Verdi-Sicht besonders vorteilhaft, dass sich Lufthansa nicht mit der Forderung nach ergebnisabhängigen Entgeltbestandteilen durchsetzen konnte.
Weiteres Ungemach für die Airline droht allerdings noch aus einer anderen Richtung: dem Cockpit. Die gleichnamige Interessenvertretung der Piloten hatte in einer Urabstimmung im Juli großen Rückhalt für mögliche Streiks dieser Berufsgruppe erhalten. Die Verhandlungen über Entgelt und Konditionen für die Piloten verlaufen seit Monaten stockend. Streiks in der Ferienzeit bleiben denkbar.