02.01.2007 / Kapital & Arbeit / Seite 9

Rußland und Belarus einigen sich im Gasstreit

Gasprom erhält künftig 100 Dollar pro tausend Kubikmeter Gas

In einer Marathonsitzung kurz vor dem Jahreswechsel haben Rußland und Belarus ihren Streit um die Erhöhung der Gaspreise beigelegt. Sein Land werde künftig 100 Dollar pro tausend Kubikmeter Gas bezahlen, sagte der belorussische Regierungschef Sergej Sidorski am Montag in Moskau. Die Vertreter seines Landes hätten »in einer schwierigen Atmosphäre« kurz vor Beginn des neuen Jahres einen entsprechenden Vertrag unterzeichnet. Sidorski sprach von »bedauernswerten Bedingungen«. Neben der Preiserhöhung wurde vereinbart, daß Rußland die Kontrolle über die Hälfte des strategisch wichtigen belorussischen Pipelinebetreibers Beltrangas erhalten soll. Dafür sollen über vier Jahre verteilt 2,5 Milliarden Dollar an Belarus gezahlt werden. Der Chef des staatlichen russischen Gasprom-Konzerns, Alexej Miller, wies darauf hin, daß die Einigung erst zwei Minuten vor dem Jahreswechsel erfolgt sei. Belarus seien »die besten Konditionen« angeboten worden.

Rußland hatte zuvor gedroht, Belarus ab dem 1. Januar kein Gas mehr zu liefern. Im Gegenzug hatte Minsk angekündigt, die Transit-Pipelines in Richtung Westen für russisches Erdgas zu sperren. 2006 hatte dessen Preis bei 45 Dollar gelegen. Rußland hatte zunächst eine Erhöhung auf 200 Dollar gefordert und zuletzt auf 105 Dollar, verbunden mit der Forderung nach der Mehrheitsbeteiligung am größten belorussischen Pipelinebetreiber

Der belorussische Präsident Alexander Lukaschenko hat nach der Einigung mit Rußland vor einer weiteren wirtschaftlichen Isolation seines Landes gewarnt. «Erneut sind wir von wirtschaftlichen Sanktionen und Isolation bedroht», sagte er in einer am Montag im belorussischen Fernsehen ausgestrahlten Neujahrsansprache. »Der Grund ist einfach: Unser Streben nach Souveränität und Unabhängigkeit.« Die Drohungen aus dem Westen seien nicht weiter verwunderlich, erklärte Lukaschenko. Aber »die antibelorussische Stimmung« in den Regierungen einiger befreundeter Länder sei »bedauerlich«, fügte er mit Blick auf Rußland hinzu.

Der Streit zwischen den beiden Ländern hatte besonders in Westeuropa für erhebliche Unruhe gesorgt. Rund 20 Prozent der russischen Gaslieferungen für Westeuropa wären von einer möglichen Sperrung der belorussischen Leitungen betroffen gewesen. Im Land selber wäre es zu dramatischen Engpässen bei der Energieversorgung gekommen. Millionen Belorussen hätten am ersten Tag des neuen Jahres in ihren Häusern frieren müssen.

Der Gaspromkonzern, der ein Drittel des weltweiten Erdgases produziert, hatte auch andere frühere Sowjetrepubliken bei den Gaspreisen unter Druck gesetzt. Im Streit mit der Ukraine im Jahr 2006 hatten sich die westlichen Regierungen hinter deren Präsidenten Viktor Juschtschenko gestellt. Lukaschenko konnte aber mit einer derartigen Solidarität nicht rechnen.

(AFP/jW)
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