26.09.2006 / Ansichten / Seite 8

Unsicherer Kantonist des Tages: Pervez Musharraf

Am Sonntag fiel in weiten Teilen Pakistans der Strom aus, was die seit Tagen umlaufenden Gerüchte über einen Putsch in Islamabad heftig zu beleben schien. Präsident Pervez Musharraf weilte in New York bei der UNO – Thailand läßt grüßen – und erklärte alles für »Nonsens«, sein Land sei »gottlob keine Bananenrepublik«. Musharraf kam 1999 durch einen Putsch an die Macht.

Seitdem genoß er das Wohlwollen der USA, was ihn nicht hindert, jetzt einige Fußtritte Richtung Wa­shington auszuteilen. Er nahm nicht nur am Gipfel der Blockfreien in Havanna teil, sondern verabredete dort auch mit dem indischen Präsidenten eine neue Friedensinitiative, was sofort die Putschgerüchte auslöste – vor allem in den USA. Musharraf konterte mit einem Fernsehinterview, in dem er erzählte, er sei von Washington nach dem 11. September mit Bombardierung »in die Steinzeit« zurück bedroht worden. Einen Tag später, am Freitag, tauschte er mit Bush im Weißen Haus Artigkeiten aus.

Am Montag nun begann die Londoner Times mit dem Vorabdruck von Auszügen aus den Memoiren von Musharraf, die demnächst unter dem Titel »In the Line of Fire – In der Schußlinie« erscheinen. In ihnen schreibt er u. a., die CIA habe die Auslieferung von 369 Terrorverdächtigen aus Pakistan durch Zahlung von mehreren Millionen US-Dollar erkauft, und schildert, wie ihn US-Botschafter Wendy Chamberlain mit »albernen Forderungen« wie der nach »Blankovollmachten« für US-Truppen zwei Tage nach dem 11. September behelligt habe. Er sei so verärgert gewesen, daß er »Kriegsspiele« gegen GIs in Pakistan angeordnet habe. Er unterstütze im übrigen die USA nicht aus Furcht, sondern im Interesse Pakistans. Musharraf enttarnt nebenbei einen Informanten des britischen Geheimdienstes MI6: Dieser sei, nachdem er in den 90ern auf dem Balkan im Dschihad gegen Serben kämpfte, bei der Entführung und Ermordung des Wall-Street-Journal-Reporters Daniel Pearl im Februar 2002 in Pakistan dabei gewesen.

In Washington und London findet man das alles höchst unerfreulich und lanciert: Der Präsident betreibe Wahlkampf. Im Herbst 2007 muß er sich den Wählern stellen.

(asc)
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