31.05.2006 / Ausland / Seite 9

»Bolkestein light« über entscheidende Hürde

EU-Staaten einigen sich auf Öffnung der Dienstleistungsmärkte

Die EU-Staaten haben am Montag eine Öffnung der Dienstleistungsmärkte in Europa auf den Weg gebracht. Der Rat für Wettbewerbsfähigkeit einigte sich in Brüssel in stundenlangen Verhandlungen auf einen Kompromiß.

Der Entwurf sieht die Schaffung eines einheitlichen EU-Dienstleistungsmarktes vor, der es Firmen und Einzelpersonen erleichtern soll, ihre Dienste auch in anderen EU-Staaten anzubieten. Der Beschluß orientiert sich am Beschluß des Europäischen Parlaments vom 14. Februar dieses Jahrwes. Dieser sah vor, daß grenzüberschreitende Dienstleistungen nach den Bedingungen des Ziellandes und nicht des Heimatlandes angeboten werden müssen. Rechte von Beschäftigten wie zulässige Arbeitszeiten, Mindestlöhne, Urlaubsanspruch oder das Streikrecht sollen nicht angetastet werden. Ein erster Entwurf des früheren Binnenmarktkommissars Frits Bolkestein sah dagegen die Anwendung des so- genannten Herkunftslandprinzips vor. Dies hätte es etwa einem polnischen Dienstleister ermöglicht, in Deutschland nach den Vorschriften seines Heimatlandes zu arbeiten. Dem nun gefundenen Kompromiß zufolge werden Sozialdienste und das Gesundheitswesen, aber auch das Glücksspiel, von der Dienstleistungsfreiheit ausgenommen. .

Vor allem die osteuropäischen Mitgliedstaaten hatten auf eine größere Öffnung der Märkte gedrungen. Deutschland und Frankreich wollten dagegen sicherstellen, daß die heimischen Arbeitsmärkte vor Billigkonkurrenz geschützt werden. Besonders in diesen Ländern hatte es auch heftige Proteste von Gewerkschaftern und Globalisierungsgegnern gegen den ursprünglichen Entwurf gegeben. In Frankreich hatte die Kampagne gegen die Richtlinie maßgeblich zur Ablehnung der EU-Verfassung in einer Volksabstimmung geführt.

EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy lobte vor allem die Verhandlungsführung durch Österreich. Diese sei »der entscheidende Faktor« gewesen. Die Liberalisierung von Dienstleistungen sei ein wichtiger Schritt zur Vollendung des EU-Binnenmarktes. Die Vorlage des Wettbewerbsrates muß noch vom EU-Parlament gebilligt werden. Beobachter erwarten aber keine nennenswerte Widerstände mehr.

(AP/ddp/jW)
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