24.04.2024 / Ansichten / Seite 8

Großzügiger des Tages: Wolodimir Selenskij

Reinhard Lauterbach

Die Ukraine hat zunehmend Schwierigkeiten, in ihrer Bevölkerung frisches Kanonenfutter zu akquirieren. Das ist inzwischen kein Geheimnis mehr – auch wenn die Regierung überlegt, Kurzvideodienste wie Telegram oder Tik Tok zu zensieren, damit die Leute keine Filme mehr darüber posten, wie die Rekrutierungskommissionen Jugendliche von der Straße und Bauarbeiter von der Betonmischmaschine weg einziehen. Solche Darstellungen seien Teil von Russlands »hybrider Kriegführung«, hieß es dazu zuletzt aus dem ukrainischen Verteidigungsministerium. Dann müsste Russland freilich in der Ukraine ziemlich viele informelle Mitarbeiter haben, die solche Szenen ins Netz stellen.

Jetzt hat das ukrainische Außenministerium den im Ausland lebenden Ukrainern die Pistole auf die Brust gesetzt: Ab sofort gibt es keine »konsularischen Dienstleistungen« mehr für Leute, die ihre Wehrpapiere nicht in Ordnung haben. Also keine Passverlängerungen mehr, keine Beglaubigung von Zeugnissen und dergleichen. Mit einem abgelaufenen Pass ist man dann so gut wie staatenlos. Man kennt einen solchen Umgang mit Emigranten aus einer Reihe historischer Beispiele, was aber hier nicht vertieft werden soll.

Wer aber noch im Lande ist, bekommt eine großzügige Chance. Wenn er sich freiwillig beim Wehrersatzkommando meldet, bekommt er bis zur Einberufung zwei Monate Galgenfrist »zur Regelung seiner Angelegenheiten«. Das berichtete die ukrainische Seite censor.net. Also nichts wie los aufs Standesamt, um die Lebensabschnittsgefährtin noch schnell zu heiraten – wegen der Hinterbliebenenrente. Oder doch noch schnell versuchen, in der Zwischenzeit ein Schlupfloch aus dem Land zu finden? Dass ukrainische Rekruten ein »Verfallsdatum« von nicht mehr als zwei Monaten haben, wurde bisher übrigens auch immer als russische Propaganda dargestellt.

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