17.04.2024 / Sport / Seite 16

Wohin mit der Fackel?

Olympische Spiele in Paris: Eröffnungsfeier auf der Seine wird wohl abgeblasen

Hansgeorg Hermann

Die berühmte Fackel, die das olympische Feuer alle vier Jahre aus dem Hera-Tempel im griechischen Ort Olympia in die Welt des großen Sportgeschäfts trägt, hat am Dienstag den stillen Olivenhain auf der Peloponnes verlassen. Wohin genau sie getragen werden soll, war auch an diesem sonnigen, sommerheißen Tag noch nicht ganz klar. Veranstalter der Olympischen Spiele (26. Juli bis 11. August) ist in diesem Jahr Paris, das zumindest steht fest. Unbeantwortet blieb bisher die Frage, ob die Eröffnungsfeier tatsächlich – wie von Staatschef Emmanuel Macron und Anne Hidalgo, Bürgermeisterin der französischen Hauptstadt, vorgesehen – auf den Wassern der Seine zelebriert werden kann. Selbst bis zu 50.000 uniformierte und zivile Kräfte könnten in Kriegszeiten wie diesen eine solch gigantische Veranstaltung nicht ausreichend schützen.

Auch der Präsident selbst war sich am Montag nicht sicher, ob das in Olympia entzündete Feuer nicht doch besser in der zentralen Wettkampf­stätte »Stade de France« übergeben und der ganze Zirkus auf der Seine abgeblasen werden soll. Die Regierung habe »Rückzugszenarien vorbereitet«, es gebe natürlich längst einen »Plan B und sogar einen Plan C«, verriet der Staatschef in einem Interview des Senders BFM TV und verwirrte damit die Organisatoren des Großereignisses, an der Spitze die von ihm selbst eingesetzte Sportministerin Amélie Ouéda-Castéra.

Ouéda-Castéra, notierte am Dienstag bedrückt die Pariser Tageszeitung Libération, stehe wie kaum ein anderer Politiker für die Spaltung der französischen Gesellschaft. Und für die unheilige Allianz des olympischen Sportgeschehens mit dem internationalen Großkapital, wie man hinzufügen muss. Macrons Frau fürs Olympische ist nicht nur eine Absolventin der politisch-wirtschaftsliberalen Kaderschule ENA (École Nationale d’Administration), sie war auch selbst professionelle Tennisspielerin und danach Führungskraft der Supermarktkette Carrefour sowie des Versicherungsgiganten Axa – im übrigen einer der Hauptsponsoren der 33. Ausgabe der neuzeitlichen Spiele. Ihr Ehemann Frédéric Ouéda, vormals Chef der einst mit Offshoreaffären belasteten Großbank Société Générale, ist inzwischen Präsident des Pharmariesen Sanofi.

Für die Spiele und ihr Eröffnungsspektakel, ob zu Wasser oder im Stade de France, braucht es selbstverständlich Geld. Die Beziehungspflege zu den »offizielle Partner« genannten Sponsoren, fällt der Ministerin zweifellos leicht – sie ist selbst Teil dieses Universums und glaubte sich, als sie noch als Managerin auf der Gehaltsliste des französischen Tennisverbandes stand, mit 500.000 Euro Jahresgehalt »völlig unterbezahlt«. Zu diesen Partnern zählen u. a. Coca-Cola, Axa und der Luxuswarenkonzern LVMH des französischen Multimilliardärs und Macron-Spezis Bernard Arnault. Die Kosten für die gesamten Spiele wurden zunächst auf 6,8 Milliarden Euro geschätzt. Inzwischen werden neun Milliarden veranschlagt, es könnten aber voraussichtlich »mindestens zehn bis zwölf« Milliarden Euro erreichen, wie französische Medien melden. Ouéda-Castéra beharrt gleichwohl auf der regierungsamtlichen Rechnung, nach der die Spiele »sich selbst finanzieren werden«.

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