17.04.2024 / Titel / Seite 1

China geht voran

Zum Abschluss seines Besuchs in der Volksrepublik trifft Kanzler Scholz Präsident Xi Jinping. Außenpolitische und Wirtschaftsthemen auf der Agenda

Jörg Kronauer

Am dritten und letzten Tag der China-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz hat Chinas Präsident Xi Jinping für eine enge Zusammenarbeit zwischen Berlin und Beijing plädiert. In der gegenwärtigen »Epoche der Turbulenzen und der Umbrüche« sei es »unabdingbar«, dass große Mächte auf »Kooperation« setzten, erklärte Xi am gestrigen Dienstag in Beijing. Das gelte auch für Deutschland und die Volksrepublik. Mit Blick darauf, dass vor allem die USA die Bundesrepublik zu einem härteren Kurs gegenüber China drängen, sagte Xi, Berlin und Beijing müssten »unabhängig und eigenständig« operieren und »die bilateralen Beziehungen in strategischer Hinsicht weiterentwickeln«.

Hatten zuvor wirtschaftliche Themen die Tagesordnung der Kanzlerreise dominiert, so sprachen Scholz und Xi vor allem auch über außenpolitische Fragen. Scholz drang darauf, China müsse jede Lieferung von Waren nach Russland einstellen, die irgendeinen Nutzen für die russische Kriegführung in der Ukraine entfalten könnten. Xi ließ sich darauf nicht ein. Er hob statt dessen hervor, Beijing habe in der Vergangenheit stets »die Friedensgespräche« zwischen beiden Seiten gefördert. Scholz nahm den Faden auf und warb für eine chinesische Beteiligung an dem geplanten Ukraine-Gipfel im Juni in der Schweiz, der von Präsident Wolodimir Selenskij als »Friedensgipfel« beworben wird, in Wirklichkeit aber nur – einmal mehr – die faktische Kapitulation Russlands fordern soll. Xi ließ keine Neigung erkennen, unter diesen Bedingungen eine chinesische Delegation in die Schweiz zu entsenden; er stellte statt dessen vier Grundsätze vor, die helfen sollen, eine weitere Eskalation zu vermeiden, darunter ein Verzicht darauf, »Öl ins Feuer zu gießen«, wie es der Westen tut, und schrittweises Schaffen von Voraussetzungen für Frieden.

Im Beisein von Außenminister Wang Yi sprachen Xi und Scholz auch über den Gazakrieg und die weiteren Konflikte im Nahen und Mittleren Osten, darunter insbesondere den scharf eskalierenden Konflikt zwischen Israel und Iran. Wang hatte in der Nacht zuvor mit den Außenministern Irans, Hossein Amir-Abdollahian, und Saudi-Arabiens, Faisal bin Farhan Al Saud, telefoniert, mit denen er ohnehin in engem Kontakt steht, um den vor einem guten Jahr angebahnten Ausgleich zwischen Teheran und Riad zu begleiten. Dabei hatte er den israelischen Angriff auf ein iranisches Botschaftsgebäude in Damaskus als »schwerwiegende Verletzung des Völkerrechts« verurteilt und den iranischen Drohnen- und Raketenangriff auf Israel als Maßnahme der Selbstverteidigung eingestuft – wohl auch mit Blick darauf, dass Teheran laut Auskunft von Amir-Abdollahian die USA und die Nachbarstaaten vorab über den Angriff informiert und so gut vorbereitete Abwehrmaßnahmen ermöglicht hatte. Scholz’ Forderung, Beijing solle einseitig Druck auf Iran ausüben, entsprach das nicht.

Nach seinem Empfang bei Xi traf Scholz am Dienstag nachmittag mit Ministerpräsident Li Qiang zusammen. Dabei standen erneut insbesondere Wirtschaftsfragen auf dem Programm. Scholz machte sich für Anliegen deutscher Unternehmen in China stark und bedankte sich höflich für die Unterstützung, die deutsche Konzerne, etwa BMW, zuletzt von der Regierung in Beijing erhalten hatten. Darüber hinaus beteuerte der Kanzler, Deutschland wolle keine wirtschaftliche Entkopplung (Decoupling) von China, sondern setze sich dafür ein, die ökonomische Zusammenarbeit zu verbessern. Ob diese Aussage den Praxistest besteht, ist allerdings ungewiss.

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