13.04.2024 / Ansichten / Seite 8

Mauritius des Tages: Silvio Berlusconi

Felix Bartels

Eine Briefmarke also. Passt auch irgendwie, denn zackig und klebrig, das war Berlus­coni auch. Man weiß noch nicht, wie sie denn aussehen wird, am Mittwoch jedenfalls beschloss das Kabinett in Rom diese Maßnahme zur Pflege des nationalen Erbes Italiens. Im Juni, zum ersten Jahrestags seines Todes, soll die Marke erscheinen.

Ganze vier Mal war der Mann Ministerpräsident jenes Landes, in dem ein Rechtsaußen wie er mitunter noch gemäßigt wirken konnte. Der Komplex Berlusconi scheint ohnehin mehr mit psychologischen Begriffen denn mit politischen entschlüsselbar zu sein. Die vollkommene Abwesenheit von Scham ist das eine große Rätsel. Das andere: Wie einer, an dem so gar nichts Interessantes war, so rätselhaft sein konnte.

Paolo Sorrentino hat ihn einen »unermüdlichen Erzähler seiner selbst« genannt. Selten überließ er seinen Taten, für sich zu sprechen, die Interpretation kam immer gleich mit. Italiens mächtigster Mann wollte zugleich von allen geliebt werden. Was natürlich nicht ging, aber das Hirn des Narzissten gibt erst Ruhe, wenn das Unmögliche Tatsache geworden ist. Selbst als Ministerpräsident blieb er, was er war: ein Verkäufer. Einer also, der das eigene Bedürfnis zum Bedürfnis der anderen macht. Nicht immer mit Geschick allerdings. Im Mai 2009 begründete er den Plan, Asylsuchende bereits in Libyen festzusetzen, damit, dass man den Menschen so die KZ-ähnlichen Zustände der italienischen Auffanglager erspare.

Unzweifelhafter Höhepunkt seiner Laufbahn war das Immunitätsgesetz. 2008 verabschiedet, hatte es den kollateralen Nutzen, Berlusconi für die Dauer seines Mandats von allen Strafverfahren zu befreien. 2009 wurde es vom Obersten Gericht kassiert. Zum Missfallen des alten Mannes, der bereits 2003 erklärt hatte: »Alle sind gleich vor dem Gesetz, aber ich bin gleicher, weil mich das Volk gewählt hat.«

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