12.04.2024 / Feminismus / Seite 15

Streit um die Gebärmutter

Bundestag diskutiert Mindestabstand für Abtreibungsgegner. Konservative sehen Strafgesetz gefährdet

Claudia Wrobel

Der Weg zu einem Schwangerschaftsabbruch ist für Betroffene oft belastend. Das ist keine moralische Wertung, sondern wortwörtlich zu verstehen: Auf dem Weg zu Orten, die gesetzlich vorgeschriebene Schwangerschaftskonfliktberatung durchführen, oder in denen Abbrüche vorgenommen werden, sehen sich Schwangere immer wieder mit Protestaktionen zunehmend radikaler Abtreibungsgegner konfrontiert. Der Bundestag hat am Mittwoch in erster Lesung über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung gesprochen, durch den Schwangere und Beschäftigte von Kliniken und Beratungseinrichtungen vor Abtreibungsgegnern geschützt werden sollen. Vorgesehen sind Bußgelder für diese Gehsteigbelästigung in Höhe von bis zu 5.000 Euro, wenn versucht wird, andere im Umkreis dieser Praxen und Beratungsstellen unter Druck zu setzen oder falsche beziehungsweise verstörende Inhalte verbreitet werden.

Bundesfamilienministerin Elisabeth Paus (Bündnis 90/Die Grünen) betonte bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs, dass es das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Schwangeren gefährde, wenn ihnen der Zugang zu Beratung und medizinischer Versorgung erschwert oder sogar unmöglich gemacht werde: »Es geht um die Achtung und die Verwirklichung von sexuellen und reproduktiven Rechten.« Während ihrer Rede wurde die Politikerin immer wieder durch Zwischenrufe aus den Reihen der Fraktionen der AfD und der CDU/CSU gestört.

Die CSU-Abgeordnete Susanne Hierl behauptete, die Bundesregierung wolle mit dem Gesetzentwurf den Weg ebnen, den Paragraphen 218 im Strafgesetzbuch abzuschaffen, in dem Schwangerschaftsabbrüche generell verboten sind, Paragraph 218 a regelt hierzu Ausnahmen: »Sie setzen damit einen seit Jahrzehnten bestehenden Kompromiss aufs Spiel und das ist unverantwortlich.« Tatsächlich ist es seit Mitte der 1990er geltende Rechtslage, dass ein Schwangerschaftsabbruch unter gewissen Voraussetzungen, wie zum Beispiel einer verpflichtenden Beratung, straffrei bleibt. Diese Regelung war ein herber Rückschritt für die reproduktiven Rechte der Frauen in Ostdeutschland, denn in der DDR war der Abbruch bereits seit 1972 legal möglich, in der BRD blieb und bleibt er kriminalisiert. Nach Informationen des Spiegels vom Beginn der Woche hat eine Arbeitsgruppe des Bundesfamilienministeriums zu Schwangerschaftsabbrüchen allerdings eine Legalisierung empfohlen. Anfang kommender Woche soll der Bericht offiziell vorgestellt werden.

Gökay Akbulut (Die Linke) machte im Bundestag auf ein weiteres Hindernis aufmerksam: Pseudoberatungsstellen, die Schwangeren, welche sich an sie wenden, überhaupt keine Bescheinigung über die Schwangerschaftskonfliktberatung ausstellen. Mit dieser gezielten Irreführung wollen militante Abtreibungsgegner dafür sorgen, dass die Zeit, in der ein Abbruch straffrei möglich ist, verstreicht, so dass Schwangere gezwungen sind, das Kind auszutragen: »Mit der Bevormundung durch Beratungszwang und der Wartepflicht muss endlich Schluss sein. Schwangerschaftsabbrüche müssen als ein Teil der normalen Gesundheitsversorgung betrachtet werden und sie haben nichts im Strafgesetzbuch verloren.«

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