12.04.2024 / Ausland / Seite 7

Nächstes Kriegsziel Iran

Nicht ohne die USA: Hochrangige Gespräche zwischen Tel Aviv und Washington.

Knut Mellenthin

Am Donnerstag traf der Chef des Kommandos Mitte der US-Streitkräfte (Centcom), General Michael Kurilla, in Israel ein, um mit Verteidigungsminister Joaw Gallant »und anderen offiziellen Vertretern«, deren Namen zunächst nicht genannt wurden, »die Gefahr eines iranischen Angriffs zu diskutieren«. Die israelische Regierung hofft offenbar, die USA in eine militärische Konfrontation mit dem Iran hineinziehen und damit neuen Schwung in ihren Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung des Gazastreifens und der seit 1967 besetzten Westbank bringen zu können.

Unbestätigten Presseberichten zufolge sind Vertreter beider Staaten schon seit mehreren Tagen »im Kontakt«, um über gemeinsame Kriegsvorbereitungen zu sprechen, nachdem die israelische Luftwaffe am 1. April in der syrischen Hauptstadt Damaskus sieben hochrangige Offiziere der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) des Iran, darunter einen regionalen Kommandeur und seinen Stellvertreter, getötet hatte. Iranische Politiker und Militärs kündigten daraufhin in unbestimmter Form harte Vergeltungsschläge an.

Am Mittwoch behauptete das in New York City ansässige Nachrichtenunternehmen Bloomberg unter Berufung auf angebliche Geheimdienstquellen, ein iranischer Angriff mit hochgradig zielgenauen Raketen oder Drohnen auf militärische Anlagen und Regierungsgebäude in Israel könne »unmittelbar bevorstehen«. Es sei nicht die Frage, ob Iran Israel angreifen werde, sondern wann. Für diesen Fall drohten Verteidigungsminister Joaw Gallant und Außenminister Israel Katz am Mittwoch mit »sehr schnellen«, »sehr starken« und »sehr wirksamen« Gegenangriffen gegen Ziele auf iranischem Territorium.

Die israelische Regierung rechnet offenbar mit US-amerikanischer Unterstützung für dieses Vorhaben und bezieht sich dabei auf eine Äußerung von Präsident Joseph Biden. Dieser erzählte am Mittwoch während einer Pressekonferenz im Weißen Haus, er habe Premierminister Benjamin Netanjahu telefonisch versprochen, dass die unbedingte Einsatzbereitschaft der USA »für Israels Sicherheit angesichts der iranischen Angriffsdrohungen« absolut zuverlässig sei.

Biden steht, was sein Verhältnis zu Israel und Netanjahu angeht, innenpolitisch unter Druck von zwei Seiten. Nach letztem Stand am Donnerstag haben sich inzwischen 56 Kongressabgeordnete der Demokraten einem offenen Brief an den Präsidenten angeschlossen, der in der vorigen Woche mit 40 Unterschriften veröffentlicht worden war. Die zentrale Forderung der Stellungnahme ist die Unterbrechung der Waffenlieferungen an Israel bis zum Ende der Untersuchungen über den Zwischenfall, bei dem die israelische Luftwaffe am 1. April im Gazastreifen den Konvoi einer internationalen Hilfsorganisation gezielt angegriffen und sieben Mitarbeiter getötet hatte. Angeblich hatten die Israelis sie versehentlich für Mitglieder der Hamas gehalten. Diese gelten alle, wie Netanjahu zu Beginn des Krieges mehrfach erklärte, als »dem Tod verfallen«, unabhängig von ihrem Aufenthaltsort.

Die in den USA erscheinende, aber stets den vermeintlichen Interessen Israels verpflichtete Tageszeitung Wall Street Journal warf daraufhin den Demokraten am 7. April in einem Leitartikel vor, sie würden »Hamas in die Hände spielen«. Einem Verbündeten in Kriegszeiten die Waffen zu verweigern, sei »die Definition von Verrat«. Und überhaupt hätten die Demokraten »eine Geschichte, Freunde in harten Zeiten im Stich zu lassen«. Als Beispiele genannt wurden der Rückzug aus Südvietnam und der aus Afghanistan, die allerdings beide von republikanischen Präsidenten – Richard Nixon und Donald Trump – veranlasst wurden.

Neben der zunehmenden Kritik aus den eigenen Reihen steht Biden vor allem unter dem Druck der Republikaner, die ihm vorwerfen, er habe »sich zu einem Anti-Israel-Präsidenten entwickelt« und kümmere sich mehr darum, »den Antisemitismus seiner Basis zu beschwichtigen, als zu unserem historisch und existentiell wichtigen Bundesgenossen zu stehen«. So formulierte es der von den Republikanern gestellte Sprecher des Abgeordnetenhauses, Michael Johnson. Deren Fraktion bereitet eine Resolution vor, mit der sich der Kongress dazu bekennen soll, Netanjahu im Gazastreifen »den Job zu Ende bringen« zu lassen, ihn dabei bedingungslos zu unterstützen und sich nicht mit Kritik »einzumischen«.

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