12.04.2024 / Inland / Seite 5

Sanktionen beim Bürgergeld

Wieder mehr Kürzungen bei erwerbsfähigen Beziehern nach vermeintlichen Verstößen

Gudrun Giese

Es heißt zwar »Bürgergeld« und nicht mehr »Arbeitslosengeld II«, aber die Bedingungen für Leistungsbezieher sind im vergangenen Jahr wieder härter geworden. Die Bundesagentur für Arbeit (BfA) teilte am Mittwoch mit, dass sie 2023 mehr erwerbsfähigen Beziehern des Bürgergeldes die Leistung gekürzt habe. Mit 226.008 Minderungen stieg die Zahl gegenüber dem Vorjahr um 77.520. Betroffen waren insgesamt 128.415 Menschen, woraus sich ableitet, dass es etliche Mehrfachbetroffene gegeben hat. Die Zahl der Leistungsminderungen habe über dem Niveau der vorangegangenen drei Jahre gelegen, meldete die Bundesagentur, doch deutlich unter dem von 2019. Damals wurden 806.811 Kürzungen registriert. Die Gründe für den Rückgang lägen in den Folgen der Coronakrise, im Ende 2019 gesprochenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Leistungsminderungen sowie in den Neuregelungen bei Einführung des Bürgergeldes Anfang 2023. Ein Jahr zuvor hatte im zweiten Halbjahr sogar ein Sanktionsmoratorium gegolten, so dass allein Leistungsminderungen wegen eines Meldeversäumnisses von maximal zehn Prozent des Regelbedarfs möglich waren.

Meldeversäumnisse standen auch 2023 im Mittelpunkt des Sanktionsregimes, sie bedeuten, einen Termin im Jobcenter ohne wichtigen Grund nicht wahrzunehmen. Über achtzig Prozent der Minderungen gingen im vergangenen Jahr darauf zurück. Insgesamt seien allerdings nur 2,6 Prozent aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit mindestens einer Minderung belegt worden, so die BfA. »Damit kommen 97 von 100 Menschen mit Leistungsminderungen nicht in Berührung.« Seit dem Ende des Moratoriums würden die Jobcenter wieder stärker Verstöße prüfen und sanktionieren. Mit der Einführung des Bürgergeldes galt zunächst, dass der Regelbedarf in Höhe von monatlich 563 Euro bei einer ersten Pflichtverletzung um zehn Prozent für einen Monat, beim zweiten Mal um zwanzig Prozent für zwei Monate und bei Verstoß Nummer drei um dreißig Prozent für drei Monate gekürzt werden konnte. Die Sanktionsmöglichkeiten wurden im März verschärft: Nun kann erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, »die wiederholt die Zusammenarbeit verweigern und eine zumutbare Arbeit nicht aufnehmen, der Regelbedarf für bis zu zwei Monate entzogen werden«, so die Bundesbehörde. Immerhin dürfen Kosten für Miete und Heizung nicht gekürzt werden.

Aus Sicht der CDU ist das alles viel zu lasch. Mitte März präsentierte sie ihr Konzept »Neue Grundsicherung«, das sehr stark an das alte Hartz IV-Regime erinnert. Die CDU will nur denen eine Grundsicherung zugestehen, die »ihren Lebensunterhalt nicht durch eigene Arbeit oder Vermögen bestreiten können«, berichtete am 15. März das ZDF. Die Ampel habe mit dem Bürgergeld falsche Anreize gesetzt. Statt dessen müsse jeder, der arbeiten könne, das tun. Wer sich weigere, solle mit deutlichen Sanktionen zu rechnen haben. Besonders auf sogenannte Totalverweigerer hat sich die Partei eingeschossen, die aber nur einen winzigen Anteil der Bürgergeldempfänger ausmachen. Nach dem CDU-Konzept sollen sie als »nicht bedürftig« eingestuft werden.

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