11.04.2024 / Ausland / Seite 7

Dämpfer für Myanmars Junta

Bewaffnete Gruppen nehmen Stadt in Grenzgebiet zu Thailand ein

Thomas Berger

Es ist der wohl bislang größte Rückschlag für die Militärjunta von General Min Aung Hlaing im sich stetig ausweitenden Bürgerkrieg Myanmars. Regierungsgegner aus dem inzwischen immer mehr vereint agierenden Lager der bewaffneten Widerstandsgruppen haben die Stadt Myawaddy unmittelbar an der Grenze zu Thailand im Teilstaat Karen faktisch eingenommen. Noch scheinen die Angreifer zwar nicht das komplette Stadtgebiet unter Kontrolle zu haben, seit Dienstag nachmittag wurden die Truppen der Karen National Liberation Army (KNLA) aber auch im Zentrum gesichtet. Damit ist erstmals eine größere Stadt an die Opposition gefallen – Myawaddy hat einschließlich der Vororte rund 200.000 Bewohner. Bereits am Montag durfte ein Sonderflug im thailändischen Mae Sot landen und wieder nach Myanmar zurückkehren. Der Regierungsflieger hatte dabei lokale Juntabeamte und ihre Familien an Bord, die sich vor der Offensive über den Grenzfluss Moei ins Nachbarland geflüchtet hatten.

Die KNLA ist der bewaffnete Arm der Karen National Union (KNU), der ältesten Rebellenbewegung der zahlreichen ethnischen Minderheiten im Vielvölkerstaat. Unterstützt werden ihre bei Myawaddy immer weiter vorrückenden Einheiten durch solche der People’s Defence Forces (PDF), die rund ein halbes Jahr nach dem Putsch vom 1. Februar 2020 durch die im Untergrund gebildete Gegenregierung National Unity Government (NUG) als alternative Streitkräfte formiert worden waren. Nicht nur in der NUG sind neben der früheren Regierungspartei Nationale Liga für Demokratie (NLD) namhafte Persönlichkeiten aus den Reihen der allein 135 laut Verfassung anerkannten Minderheiten vertreten. Auch die PDF-Kämpfer, die bis auf wenige Ausnahmen vormals Zivilisten vom Student bis zum Gemüsehändler waren, haben ihr militärisches Grundtraining oft in Kooperation mit den teilweise seit Jahrzehnten aktiven Rebellenarmeen erhalten.

Im nordöstlichen Teilstaat Shan hatten drei bewaffnete Gruppen bereits am 27. Oktober ihre »Operation 1027« gestartet. Die über besonders viele Kämpfer verfügende Arakan Army (AA) hat der Junta zudem inzwischen in ihrer Heimatregion Rakhine diverse Niederlagen beigebracht und wichtige Stellungen eingenommen. Während zum Beispiel auch Kämpfende der Kachin Independence Army (KIA) im Verbund mit PDF-Einheiten erfolgreich vorrücken, ist die faktische Einnahme Myawaddys der bisher größte Triumph der KNLA/KNU. Eine Sondertruppe der PDF feuerte vergangene Woche zudem etliche Kamikazedrohnen mit Sprengstoff auf die Hauptstadt Naypyidaw ab, in der auch das Oberkommando der Armee liegt. Sogar im Zentrum ihrer Macht angreifbar geworden zu sein, ist für den Juntachef und seine Getreuen eine ganz neue Erfahrung.

Thailand, sagte Außenminister Parnpree Bahiddha-Nukara, sei für die Aufnahme von bis zu 100.000 Flüchtlingen vor den Kämpfen im Grenzgebiet vorbereitet. Örtliche Behörden hätten versichert, notfalls gar eine größere Zahl managen zu können, unterstrich er laut einem Bericht der Bangkok Post vom Mittwoch. Das Nachbarland behalte zu dem Konflikt in Myanmar aber weiter eine »neutrale« Stellung, wie die Regierung in Bangkok zuvor betont hatte. UN-Generalsekretär António Guterres ernannte derweil am Freitag Julie Bishop zur neuen Myanmar-Sondergesandten. Die frühere konservative Außenministerin Australiens ersetzt auf dem äußerst schwierigen Posten die Singapurer Diplomatin und Soziologin Noeleen Heyzer, die von der Junta völlig blockiert worden war. Der NUG-Vertreter für Australien begrüßte Bishops Ernennung.

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