11.04.2024 / Inland / Seite 5

Hickhack um Kinderarmut

Schlammschlacht um Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung geht weiter

Uschi Diesl

Das Hickhack um die Kindergrundsicherung ging am Mittwoch weiter, in aller Öffentlichkeit und hinter verschlossenen Türen. Zur Vorbereitung auf den Koalitionsausschuss am Abend (nach Redaktionsschluss) lehnte Bundesfamilienministerin Elisabeth Paus im »Morgenmagazin« der ARD eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzentwurfs ab. »Wir haben den gemeinsamen Gesetzentwurf in der Koalition beschlossen«, erklärte die Grünen-Politikerin. Der Entwurf sei »gemeinsam« mit Finanzminister Christian Lindner erarbeitet worden.

Nur will der davon nichts mehr wissen. »Es muss nachgearbeitet werden«, verkündete der FDP-Chef in der Augsburger Allgemeinen vom Mittwoch. »Erstens darf es keinen überproportionalen Verwaltungsaufwand geben«, so Lindner. »Zweitens dürfen wir keine Anreize setzen, dass Menschen aufgrund höherer Sozialleistungen nicht mehr arbeiten gehen.« Und: »Beide Voraussetzungen sind offenbar nicht gegeben.«

Die Invektiven der FDP kreisen seit Tagen vor allem um 5.000 neue Behördenstellen, die für die Umsetzung der Sozialreform nötig sein sollen. Laut Paus muss »die Familienkasse ertüchtigt werden« für die Zusammenführung diverser Sozialleistungen, vom Kindergeld über den Kinderzuschlag und den Regelbedarf bis zu Teilen des Bildungs- und Teilhabepakets. Die Bündelung soll dazu führen, dass arme Familien alle Leistungen in Anspruch nehmen, die ihnen zustehen. Das ist bislang nur bei einem Bruchteil der Fall.

Paus will mit der Reform »verdeckte Armut« bekämpfen. Wie ihr Ministerium am Montag in der Bundespressekonferenz bestätigte, stehen die ersten dafür nötigen zusätzlichen Stellen im aktuellen Bundeshaushalt bereit – unter Vorbehalt: »Mit dem Haushalt 2024 wurden 1.650 Stellen für die Bundesagentur für Arbeit zur Vorbereitung der Umsetzung der Kindergrundsicherung grundsätzlich bewilligt, aber mit einem Sperrvermerk versehen. Die Entsperrung dieser Stellen erfolgt, sobald es eine politische Entscheidung zur Kindergrundsicherung gibt.«

Rund ein Fünftel aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland wächst in Armut auf. Meist würden die Eltern für Niedriglöhne schuften, erklärte die Kochefin der Grünen Jugend, Katharina Stolla, am Mittwoch gegenüber der Deutschen Presseagentur in Berlin. Die FDP setze sich als »Anwalt der Reichen« an die Spitze einer »Schmutzkampagne gegen Kinder in Armut«. Obwohl mit dem Gesetz »Bürokratie für die betroffenen Familien abgebaut wird, spielt sich die FDP als Vorreiter des Bürokratieabbaus auf«, erklärte Stolla. »Diese Ablenkungsdebatte gleicht Kindeswohlgefährdung.«

Ganz ähnlich erklärte die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, in der Rheinischen Post vom Mittwoch, die FDP erwecke mit »immer wieder neuen Debatten um kleinteilige Fragen und Details« den Eindruck, das Gesetz noch verhindern zu wollen. Eine »Schlammschlacht zwischen FDP und Grünen« könne sich das Land aber »nicht leisten«. Die mehr als fünf Millionen armen Kinder und Jugendlichen aber bräuchten »schnellstmöglich Hilfe und sind auf eine gute Kindergrundsicherung angewiesen«.

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