10.04.2024 / Feuilleton / Seite 11

Besser wird’s nicht

Immerhin idiotensicher: Woody Allens neuer Film »Ein Glücksfall« ist keiner

Ronald Kohl

Was ist aus Paris geworden? Was aus Woody Allen? Der Liebe? Der Komik? – Schmutzige Geschäftemacher haben Einzug gehalten, skrupellose Schönlinge, die Millionen machen, und niemand weiß so recht, womit? Als Fanny (Lou de Laâge) ihren Ehemann Jean (Melvil Poupaud) einmal danach fragt, antwortet er: »Ich mache die Reichen reicher.«

Das machen wir ja alle, aber bei ihm bleibt auch noch genug in der eigenen Tasche hängen; das Teilen scheint nicht seine große Stärke zu sein. Vor Jahren verschwand sein Geschäftspartner spurlos. Wir lernen die Figuren, die da ihre tatkräftigen Pranken im Spiel hatten (zwei Rumänen), ziemlich schnell kennen, denn ­Fanny begegnet auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle, einem Auktionshaus, Alain (Niels Schneider). Eigentlich hat der nicht viel zu bieten, doch er liebt Fanny schon seit Jahrzehnten. Sie haben in New York dieselbe Schule besucht. Jetzt ist er Schriftsteller, einer der noch mit der Hand schreibt. Das muss er auch, denn sonst wäre von ihm später nichts mehr übrig geblieben und der Fall wäre nach bekanntem Muster ausgegangen. Die Rumänen besuchen Alain also in seiner kleinen Wohnung über den Dächern von Paris und schleppen ihn in einer geräumigen Tasche die Treppe hinunter: Auto, Sportflugzeug, Atlantik und Plumps!

Alles hätte jetzt so schön werden können. Der gehörnte Ehemann kann wieder ungestresst mit seiner Märklin Modelleisenbahn aus den 50er Jahren spielen, mit der der subtile Sadist alle Besucher langweilt. Außerdem spricht er gegenüber Fanny von gemeinsamen Kindern. Aber mit Sex hat der Film nichts am Hut. Jean findet es viel geiler, seine todunglückliche Ehefrau zu fragen, was denn eigentlich mit ihr los sei. Das sind dann auch schon die Highlights und man ist echt froh, dass der Schriftsteller so fix von der Bühne geschafft wurde, denn es war unerträglich, Fanny Sätze aus dem Groschenroman säuseln zu hören:

»Ich weiß gar nicht, warum ich dich anrufe. Was mache ich nur? Warum muss ich immer an dich denken?« Oder noch schlimmer: »Der Schaffensprozess von Künstlern fasziniert mich.«

Aber auch als Alain spurlos verschwunden ist, muss Fanny noch immer an ihn denken. Ihre Mutter Camille (Valérie Lemercier), die heilfroh ist, endlich keinen Looser als Schwiegersohn zu haben, erklärt ihr die ­Situation: »Alles läuft gut, ­solange du deinen Mann mit ihm betrügst. Aber sobald du Jean verlassen willst, macht er sich aus dem Staub. Typisch.«

Das ist vielleicht das Bemerkenswerteste an »Ein Glücksfall«. Alles wird idiotensicher erklärt. Auch, warum die noch eben so begeisterte Schwiegermutter plötzlich zu einer misstrauischen Detektivin mutiert. Jean hat nämlich die Visitenkarte der Detektei, die er damit beauftragt hatte, seine Frau zu observieren, in seinem Schreibtisch liegenlassen. ­Camille, die ohnehin nur dem Herrn die Zeit stiehlt, besucht den Laden. Der Boss ruft danach umgehend seinen früheren Klienten an. Und der? Der ruft natürlich die Rumänen an.

Charles Bukowski hat einmal gesagt: »Es ist nicht so sehr schwierig, mit 25 ein Genie zu sein. Aber mit 55 sieht alles ganz anders aus.«

Woody Allen marschiert stramm auf die 90 zu. Dafür ist sein neuer Film noch halbwegs ordentlich geworden, bis auf den Schluss: Jagdausflug. Endlich erfahren wir, warum uns immer wieder gesagt wurde, dass Fannys Mutter begeisterte Jägerin ist. Der Knochenbrecher aus den Karpaten ist natürlich mit von der Partie und der Schwiegersohn. Wie geht die Sache nun aus? – Genau so, wie es der Titel vermuten lässt.

Habe ich noch irgendwas Erwähnenswertes vergessen? Ich glaube nicht.

»Ein Glücksfall«, Regie: Woody Allen, Großbritannien/Frankreich 2023, 96 Min., Kinostart: 11. April

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