09.04.2024 / Ausland / Seite 7

Slowakei wählt unerwünschten Präsidenten

Sieg von angeblich prorussischem Kandidaten Pellegrini bringt bundesdeutsche Politiker in Rage

Jörg Tiedjen

Die Bellizisten schlagen Alarm. Nach dem Sieg des bisherigen Parlamentspräsidenten Peter Pellegrini in der Stichwahl um das höchste Staatsamt in der Slowakei am Sonnabend lassen sich allen voran deutsche Außenpolitiker mit harschen Tönen vernehmen. Der CDU-Politiker Norbert Röttgen ging in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Montag so weit, die Slowakei und Ungarn in einen Topf zu werfen und beiden Ländern einen Austritt aus der EU zu empfehlen.

Der gern als »Populist« verschriene Pellegrini von der sozialdemokratischen Formation Hlas-SD und Premierminister Robert Fico von der ebenfalls die Sozialdemokratie im Namen führenden Smer-SSD »sympathisieren offen« mit Russlands Präsident Wladimir Putin, behauptete Röttgen. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán sei »das Trojanische Pferd Putins in der EU«. »Die EU darf und kann das nicht weiter tolerieren.« Wer sich »auf die Seite des Aggressors stellt, gehört nicht in die EU«. Röttgens Zorn geweckt hatten Stellungnahmen Pellegrinis, in denen er sich für ein Ende des Ukraine-Kriegs und Friedensgespräche eingesetzt hatte.

Nicht allein Vertreter der Berliner Opposition bemängeln die Entscheidung der slowakischen Wähler. Auf seiten der Regierungsparteien brachte der »grüne« EU-Politiker Anton Hofreiter ebenfalls in den Funke-Medien vom Montag eine Streichung von EU-Mitteln ins Gespräch. »Es ist wichtig, dass die slowakische Regierung ein deutliches Warnsignal aus Berlin und Brüssel erhält«, so Hofreiter. Dabei unterstellte er Pellegrini und Premier Fico, sie wollten ihre Ämter dafür nutzen, um mittels einer entsprechenden Justizreform Korruption unter den Teppich zu kehren.

Gelassener sah die konservative tschechische Zeitung Lidové noviny am Montag die Nachrichten aus dem Nachbarland: »Den Sieger der Wahl als ein ›Trojanisches Pferd des russischen Präsidenten Wladimir Putin‹ zu bezeichnen ist nichts anderes als Geschwätz auf Stammtischniveau«, bemerkte sie am Montag. »Wir sollten erst einmal abwarten, was er macht, was er sagt und wie er sich zu Ministerpräsident Robert Fico verhält.«

Die Entscheidung für Pellegrini, dem als Präsidenten weitgehend repräsentative Rechte zukommen, war überraschend deutlich ausgefallen. In der zweiten Wahlrunde am Sonnabend kam er auf einen Stimmenanteil von 53 Prozent. Nach Auskunft des nationalen Statistikamts lag die Wahlbeteiligung in dem 5,4-Millionen-Einwohner-Land bei 61 Prozent. Der zuvor in Umfragen favorisierte prowestliche Kandidat Ivan Korčok, ein »parteiloser« früherer Diplomat, unterlag mit 47 Prozent. In der ersten Wahlrunde Ende März hatte Korčok noch mit 42 Prozent vorne gelegen, Pellegrini war in ihr auf rund 37 Prozent gekommen.

Der designierte Staatschef bezeichnete seinen Wahlsieg als »große Genugtuung«: »Ich möchte ein Präsident sein, der die nationalen Interessen der Slowakei vertritt«, sagte er laut Agenturen vor seinen Anhängern. Bei seiner Stimmabgabe hatte Pellegrini versichert, es gehe bei dem Urnengang »nicht um die künftige Ausrichtung der Außenpolitik«. Die Slowakei werde auch weiterhin ein »starkes Mitglied der EU und der NATO bleiben«.

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