08.04.2024 / Titel / Seite 1

Überfall auf Botschaft

Ecuador: Spezialeinheit stürmt Mexikos Vertretung in Quito, um linken Politiker zu verhaften. Scharfe Kritik nach Bruch internationalen Rechts

Volker Hermsdorf

Die rechte Regierung des Bananenunternehmers Daniel Noboa in Ecuador hat mit einem Überfall auf die mexikanische Botschaft internationales Recht gebrochen und sich weltweit isoliert. Eine schwerbewaffnete Spezialeinheit war in der Nacht zum Sonnabend gewaltsam in die diplomatische Vertretung in Quito eingedrungen, um den ehemaligen Vizepräsidenten Jorge Glas zu verhaften. Mexiko hatte dem beliebten Politiker der oppositionellen linken Partei »Revolución Ciudadana« (RC), gegen den Noboas Behörden einen Haftbefehl wegen Veruntreuung erlassen hatten, »nach gründlicher Analyse« dort politisches Asyl gewährt.

Nach dem Vorfall brach Mexiko die diplomatischen Beziehungen ab und rief wegen Verletzung der Immunität seiner diplomatischen Mission und der Aggression gegen deren Personal den Internationalen Gerichtshof an. Als erstes weiteres Land der Region brach auch Nicaragua die Beziehungen zu Ecuador ab. UN-Generalsekretär António Guterres verwies auf die Unverletzlichkeit der diplomatischen und konsularischen Einrichtungen und erklärte, dass Verletzungen dieses Grundsatzes die normalen internationalen Beziehungen gefährden, die für die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Staaten unerlässlich sind. Während die Regierungen von Bolivien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Kuba, Honduras, Nicaragua, Panama, Paraguay, Peru, der Dominikanischen Republik, Uruguay, Venezuela und sogar die des ultrarechten argentinischen Präsidenten Javier Milei den Angriff umgehend verurteilten, hatten sich die USA und andere Verbündete von Noboas Regime zunächst zurückgehalten.

»Sie sind es gewohnt, das Völkerrecht nach Gutdünken zu benutzen … und schweigen angesichts der Barbarei, die ihre Lakaien begehen«, prangerte Venezuelas Außenminister Yvan Gil daraufhin am Sonnabend das Schweigen Washingtons an. Honduras Staatschefin Xiomara Castro rief als derzeitige Präsidentin der Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten (CELAC) indes die Außenminister der 33 Mitgliedsländer für Dienstag zu einer (online stattfindenden) Dringlichkeitssitzung zusammen, »um die Aggression zu analysieren und deren Folgen zu beraten«. Laut örtlichen Medien soll zudem auf dem nächsten ordentlichen Treffen der Wirtschaftsorganisation Mercosur am 29. April über eine Suspendierung Ecuadors als assoziiertes Mitglied beraten werden. Der internationale Druck veranlasste Washington offenbar dann doch noch zu einer – allerdings eher moderaten – Protestnote. »Wir ermutigen beide Länder, ihre Differenzen im Einklang mit den internationalen Normen zu lösen«, erklärte das US-Außenministerium.

Für Ecuadors rechte Regierung könnte der Vorfall fatale Folgen haben. Der Kontrollausschuss der Nationalversammlung hat drei für den Überfall verantwortliche Minister für kommenden Mittwoch vorgeladen, um »die Verantwortung derjenigen zu untersuchen, die das Gesetz mit Füßen getreten haben«, so Parlamentsvizepräsidentin Viviana Veloz (RC). Der Überfall auf mexikanisches Territorium sei genaugenommen ein »Casus Belli« (Kriegserklärung). Das Regime habe sein Land damit zu einem »globalen Paria« gemacht, bedauerte der im belgischen Exil lebende Expräsident Rafael Correa. Leonidas Iza, der Vorsitzende der Konföderation Indigener Nationalitäten Ecuadors (Conaie), erklärte, wenn Noboas Politik zum Abbruch von Beziehungen »zu lateinamerikanischen Schwesterländern« führe, »ist es das beste, wenn er zurücktritt«.

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