06.04.2024 / Ausland / Seite 6

Großangriff auf Flugplätze

Ukraine gibt an, auf Militärflugplatz Russlands 14 Maschinen außer Gefecht gesetzt zu haben. Russische Truppen stoßen auf Tschassiw Jar vor

Reinhard Lauterbach

Die Ukraine hat nach eigenen Angaben in der Nacht zum Freitag Dutzende von Drohnen auf russische Militärflugplätze im näheren und ferneren Hinterland der Front abgeschossen. Wie ukrainische Medien ohne nähere Quellenangaben berichteten, galt der Hauptschlag dem Stützpunkt in der Stadt Morosowsk in der Oblast Rostow. Dort seien allein sechs Maschinen zerstört und weitere acht beschädigt worden. In Morosowsk ist ein Geschwader von Jagdbombern des Typs SU-34 stationiert. Die Maschinen sind in der Ukraine gefürchtet, weil sie die gesteuerten Gleitbomben abwerfen, die schwere Schäden an den ukrainischen Stellungen anrichten. Insgesamt umfasst das Geschwader in Morosowsk nach ukrainischen Angaben 30 Kampfflieger.

Weitere Angriffe galten Militärflughäfen in Jeisk südlich des Asowschen Meeres und wieder im weit hinter der Front liegenden Engels im Gebiet Saratow. Dort befindet sich ein Stützpunkt strategischer Fernbomber; vermutlich sind dort auch Atomwaffen gelagert. In Russland wurden die ukrainischen Angriffe auf die Flugplätze bis zum Freitag mittag nicht offiziell bestätigt. Indirekt geht die Tatsache, dass sie stattgefunden haben, aber aus offiziellen Meldungen über den Abschuss von angeblich etwa 60 Drohnen und die »effiziente Arbeit der Luftabwehr« hervor. Zu dem Angriff auf Morosowsk wurde mitgeteilt, dass acht Unbeteiligte durch »herabfallende Trümmer« verletzt worden seien.

Am Boden rücken russische Truppen unterdessen weiter vor. Am Freitag meldeten Medien beider Seiten, dass russische Fallschirmjäger offenbar den Stadtrand von Tschassiw Jar westlich von Bachmut erreicht haben. Die ukrainische Seite räumte ein, dass die Situation dort »sehr schwierig« sei; russische Militärexperten rechnen nicht mit einer raschen Einnahme der von den Ukrainern intensiv befestigten Stadt mit einst 15.000 Einwohnern.

Außerdem setzt Russland die Angriffe auf die ukrainische Energieversorgung fort. In der Nacht zum Freitag wurde das Wärmkraftwerk in Smijiw stark beschädigt. Im nahegelegenen Charkiw fiel für etwa 300.000 Haushalte der Strom aus, die gerade erst wieder eröffnete U-Bahn musste den Betrieb erneut einstellen. Dasselbe gilt für einen atomaren Versuchsreaktor in der Donezker Metropole, der nach dem Ausfall der externen Stromversorgung heruntergefahren werden musste. In Odessa und Kropiwnizkij (bis 2016 Kirowograd) wurden weitere Kraftwerke und Umspannstationen zerstört. Russische Medien beschreiben dies als Versuch, die Stromübertragung von den ukrainischen AKW, die direkt anzugreifen zu riskant wäre, zu den Kunden zu unterbrechen und damit denselben Effekt zu erzielen wie bei einer direkten Zerstörung der Anlagen. In dem Wasserkraftwerk »Dnipro GES« mit Staumauer in Saporischschja sind nach russischen Angriffen in den vergangenen Tagen von acht Turbinenblöcken nur noch zwei unbeschädigt, während drei vollständig zerstört sein sollen.

In russischen Veröffentlichungen wird die hohe Präzision der Angriffe auf die ukrainische Strominfrastruktur unter anderem damit begründet, dass Mitarbeiter der Anlagen Russland mit Informationen versorgten, um so über den Zusammenbruch der Stromversorgung ein rascheres Kriegsende zu erzwingen. Unabhängig bestätigen lassen sich diese Thesen naheliegenderweise nicht. Der Chef der ukrainischen Präsidialkanzlei, Andrij Jermak, nahm die Angriffe auf Kraft- und Umspannwerke zum Anlass, den Westen erneut dringend zur Lieferung weiterer PATRIOT-Luftabwehrbatterien aufzurufen.

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