05.04.2024 / Ansichten / Seite 8

Exiteer des Tages: Rishi Sunak

Karim Natour

Zuletzt war es das Geschäft des ehemaligen und eventuell zukünftigen US-Präsidenten Donald »Grab ’em by the pussy« Trump, sich im Namen »nationaler Interessen« aus nervigen internationalen Vertragswerken zu verabschieden. Vorreiter der »Exitstrategie« war der Engländer Nigel Farage, der quasi aus dem Nichts auftauchte, für die britische »Emanzipation von Brüssel« agitierte, und – nachdem der Pöbel sich dafür entschieden hatte – wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwand. Die britische Wirtschaft wurde mit Vollzug des Exits stark angekratzt und mit ihr mehrere konservative Premiers in Rekordtempo verschlissen: May, Johnson, Truss. Dann kam Rishi Sunak: Multimillionär, Migrationsgeschichte und glühender Brexiteer. Dessen Lieblingsthema sind Geflüchtete. Präziser: die Abwehr von »illegaler Migration«.

Nun hat der wohl reichste Premier der britischen Geschichte einen neuen Vorstoß gewagt, den andere Isolationisten goutieren dürften. In einem Interview mit dem Schmuddelblatt The Sun erklärte er am Mittwoch, »die Sicherheit der Grenzen« sei »wichtiger als jede Mitgliedschaft in einem ausländischen Gericht«. Damit meinte er den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Dessen Richter hatten 2022 interveniert, als im Rahmen des sogenannten Ruanda-Plans der erste Deportationsflug mit Migranten in das ostafrikanische Land geschickt werden sollte. Laut dem Plan sollen Asylsuchende – egal woher sie kommen – nach Ruanda abgeschoben werden. Eine verwässerte Variante des Gesetzes wurde zuletzt vom britischen Oberhaus blockiert. Sollte das Vorhaben diese Hürde dennoch nehmen, bliebe noch die Menschenrechtskonvention des EGMR, die das Königreich einst mitformulierte. Falls sich das Strasbourger Tribunal beim nächsten Versuch der »Remigration« wieder einmischt, könnte London also nach Brüssel auch Strasbourg den Rücken kehren.

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