05.04.2024 / Ansichten / Seite 8

Nicht nur Vasallen

EU-Europa und die NATO

Reinhard Lauterbach

Die Londoner Times brachte es am Donnerstag auf den Punkt: Aufgabe des NATO-Außenministertreffens sei es gewesen, das atlantische Militärbündnis »Trump-fest« zu machen. Nämlich für den Fall, dass der Mann im November wieder gewählt wird und seinen Spruch wahrmacht, die USA hätten den großen Vorteil, dass zwischen ihnen und all den europäischen Problemen »ein großer, tiefer Ozean« liege. An dieser Haltung ist so viel richtig, dass die USA von dem, was zum Beispiel in der Ukraine geschieht, nicht unmittelbar betroffen sind. Sie können dort einen Krieg am Laufen halten, wenn sie sich etwas davon versprechen – aber sie müssen es nicht, wenn die Kalkulationen in Washington sich ändern. Nichts wäre falscher, als sich einen Donald Trump als Friedensfürsten vorzustellen.

Damit soll nicht gesagt sein, dass die europäischen NATO-Staaten zum Engagement in der Ukraine im Unterschied zu den USA gezwungen seien. Es ist schon ihr eigenes Interesse, das sie dazu veranlasst, ein Land, das sie per »Östlicher Nachbarschaftspolitik« als EU-Einflussgebiet beansprucht haben, nicht wieder aus ihrer Hegemonialsphäre zu entlassen. Das oft zu hörende Argument der Baerbocks und Co. lautet: Wo kämen wir hin, wenn das einrisse? Dann kämen wir dahin, dass die EU kleinere Brötchen backen müsste in ihrem Zugriff auf die Ressourcen der Welt. Ganz praktisch gedacht lautet das: Das im Donbass vermutete Lithium gehört »uns« und jedenfalls nicht Russland. Das ist die Grundregel der »regelbasierten Weltordnung«, was wir wollen, müssen wir bekommen.

Die »europäische Einigung« ist in ihrer Frühphase von den USA gefördert worden, um die politischen und ökonomischen Machtmittel der kleineren kapitalistischen Staaten in der Auseinandersetzung mit der Sowjetunion zu bündeln. Eine Zeitlang sah es so aus – und die EU wiegte sich in dieser Vorstellung –, als könnte das »vereinte Europa« Washington auf globaler Ebene Konkurrenz machen. Das ist vorbei, das haben die USA mit dem Verbot des Gasbezugs aus Russland und seiner praktisch-terroristischen Durchsetzung klargestellt. Europa ist auf seine machtpolitische Drittrangigkeit zurückgestutzt worden. Und genau dieser weltpolitische Nasenstüber ist es, was die europäischen »Bündnispartner« so fuchst. Daher das ständige Reden davon, dass die EU »sicherheitspolitisch souveräner« werden müsse. Richtungsstreitigkeiten gibt es noch um die Frage, ob man die damit verbundene verschärfte Militarisierung der europäischen Gesellschaften mehr als eigenständige Anstrengung oder als Beitrag zum gemeinsamen transatlantischen Weltherrschaftsbestreben verkaufen soll. Aber das ist geschenkt. Kriegsgründe wissen die von der Leyens, Borrells usw. auch von sich aus. Mit einem alten Merkspruch gesagt: Der Hauptfeind steht im eigenen Land. Reflexhafter Antiamerikanismus lenkt davon ab.

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