03.04.2024 / Inland / Seite 5

Drucker im Streik

Tarifangebot der Unternehmen – Zeichen fehlender Wertschätzung für Beschäftigte

Gudrun Giese

Im wahrsten Sinne vorbei ist die Osterruhe in der Druckindustrie. Am Dienstag starteten die ersten Warnstreiks innerhalb der diesjährigen Tarifrunde in der Branche. Damit reagierten Beschäftigte auf das komplett unzulängliche Angebot der Unternehmensseite vom 21. März.

Bis zum Monatsende galt noch die Friedenspflicht. Mit deren Ende rief die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi nach inzwischen zwei ergebnislosen Verhandlungsrunden für bundesweit etwa 110.000 Beschäftigte in der Druckindustrie zu Warnstreiks auf. Bis zum 16. April, dem dritten Verhandlungstermin, sollen sich landauf, landab weitere Arbeitskampfaktionen anschließen. Die Streikenden wollen damit ihre Forderung nach zwölf Prozent mehr Lohn und Gehalt untermauern. Der Bundesverband Druck und Medien (BVDM) hatte lediglich Entgelterhöhungen von zwei Prozent zum 1. Juni dieses Jahres und einem weiteren Prozent zum 1. Juni 2025 offeriert.

Rachel Marquardt, Verhandlungsführerin auf der Gewerkschaftsseite, bezeichnete dieses Angebot als »völlig inakzeptabel«. Die Streiks zeigten deutlich den Ärger der Beschäftigten über die vorgesehene lediglich homöopathische Anhebung von Löhnen und Gehältern. Der BVDM sei dringend aufgefordert, seine Offerte nachzubessern. Angesichts einer Rekordinflation in den zurückliegenden Jahren und weiterer prognostizierter Preissteigerungsraten von 2,8 Prozent in 2024 und zwischen zwei und 2,4 Prozent im Jahr 2025 bedeute das Angebot der Unternehmen ein gravierendes Minus für die Lohnabhängigen. »Damit würde die Branche weiter von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt«, kritisierte Marquardt. Keinesfalls wollten die Beschäftigten sich das gefallen lassen.

Bereits nach der zweiten Verhandlungsrunde am 21. März in Nürnberg war die Empörung bei Angestellten und ihren gewerkschaftlichen Vertretern hochgekocht. »Die Arbeitgeber nehmen die finanziellen Sorgen und Nöte der Beschäftigten in der Druckindustrie nicht ernst«, hieß es in einem Verdi-Flyer. Ihr Miniangebot sei »nichts anderes als eine Provokation«, die die gewerkschaftliche Verhandlungskommission umgehend zurückwies. Die Betroffenen erwarteten ein angemessenes Angebot, denn ihr Nachholbedarf bei der Lohn- und Gehaltsentwicklung sei enorm. Die nächste Verhandlungsrunde Mitte April findet in Berlin statt.

Aus Sicht der Gewerkschaft bildet sich in der Offerte des BVDM auch die mangelnde Wertschätzung gegenüber den Beschäftigten einer Branche ab, die in den zurückliegenden Jahren rasant an Bedeutung verloren habe. In einer Ausgabe des Gewerkschaftsmediums Druck + Papier vom vergangenen Juni erinnerte der frühere Verdi-Bereichsleiter Gerhard Kirchgäßner daran, dass es früher oft reichte, wenn die damalige IG Druck und Papier nur mit Streiks drohte, um Entgelterhöhungen und bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Mit der verstärkten Digitalisierung auch im Medienbereich verlieren gedruckte Zeitungen und Zeitschriften inzwischen jedoch immer mehr an Bedeutung. Verlage und Druckereien scheinen den Respekt vor den Beschäftigten an den Rotations- und Offsetanlagen zu verlieren. Nichtsdestotrotz arbeiten nach wie vor mehr als 100.000 Menschen in der Branche. Sie erwarteten, so macht die Gewerkschaft immer wieder klar, Wertschätzung für ihre Arbeit und angemessene Entlohnung gerade in Zeiten der allgemeinen wirtschaftlichen Unsicherheit bei zugleich weiter steigenden Lebenshaltungskosten. Die bevorstehende Verhandlungsrunde im April sollte endlich den Durchbruch bei den Angeboten bringen, damit die nach wie vor wichtige Arbeit der Beschäftigten endlich adäquat entlohnt werde.

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