02.04.2024 / Ausland / Seite 1

Klatsche für Erdoğan

Kommunalwahlen in der Türkei. Oppositionspartei CHP erstmals wieder stärkste Kraft des Landes

Emre Şahin

Nach 47 Jahren ist die CHP erstmals wieder die stärkste politische Kraft der Türkei. Die größte Oppositionspartei holte bei den Kommunalwahlen vom Sonntag landesweit 37,7 Prozent und ließ die Regierungspartei AKP mit 35,5 Prozent hinter sich. Neben den drei größten Städten Istanbul, Ankara und Izmir gewannen die sonst als »Ägäis-und-Mittelmeer-Partei« bezeichneten Kemalisten mehrere AKP-Hochburgen an der Schwarzmeerküste und in Zentralanatolien. Der CHP-Chef Özgür Özel bezeichnete das Ergebnis in seiner Rede am Sonntag abend als »historisch«. »Bei diesem Sieg gibt es keine Verlierer. Unser Erfolg wird für niemanden eine Niederlage sein«, versprach Özel.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan ließ sich bis nach Mitternacht Zeit, um sich zur Niederlage seiner AKP zu äußern: »Wir konnten bei den Kommunalwahlen nicht das Ergebnis erzielen, das wir uns gewünscht und erhofft hatten.« Seine Partei werde die Wahlergebnisse analysieren und die anschließende »Selbstkritik mutig äußern«.

Der zweite Gewinner neben der CHP ist die islamistische Neue Wohlfahrtspartei (YRP). Sie stieg mit 6,18 Prozent zur drittstärksten Partei nach Stimmenanteilen auf und machte der AKP in ihren konservativen Hochburgen große Konkurrenz. Während des Wahlkampfes hatte Erdoğan der Partei noch gedroht; die wiederum stellte drei Bedingungen, um die AKP zu unterstützen: das Ende des Handels mit Israel, das Schließen der NATO-Radarstation in Kürecik und eine Anhebung der Rentenbeträge.

Auch die prokurdische Partei der Emanzipation und Demokratie der Völker (DEM) gewann dazu und war mindestens in zehn Provinzen erfolgreich. Gegen das Ergebnis in Bitlis legte sie Beschwerde ein. Die AKP gewann mit einem Vorsprung von knapp 200 Stimmen, während 2.000 Wahlzettel für ungültig erklärt wurden. In Şırnak, Kars wie auch in weiteren Provinzen veröffentlichte die DEM Aufnahmen, wie die Regierung in Massen Soldaten und Polizisten aus anderen Provinzen an die Urnen transportieren ließ, um die Ergebnisse zu verfälschen.

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