23.03.2024 / Ansichten / Seite 8

1999: Die Zeitenwende

NATO-Krieg gegen Jugoslawien. Gastkommentar

Żaklin Nastić

Vor 25 Jahren beteiligte sich die damalige »rot-grüne« Bundesregierung an einem Krieg, der das Völkerrecht und die Menschenrechte auf den Müllhaufen der Geschichte bomben sollte: Unter sträflichster Instrumentalisierung des dunkelsten Kapitels deutscher Geschichte verstieß man gegen die UN-Charta. Deren Artikel 2 Absatz 4 verbietet die »Androhung und Anwendung« zwischenstaatlicher Gewalt. Ausgerechnet Deutschland, das völlig zu Recht unter Willy Brandt dem Leitmotiv »Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen!« folgte, trat das Grundgesetz und den Zwei-plus-vier-Vertrag, der die deutsche Einheit herbeigeführt hatte und dazu verpflichtet, dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen darf, mit Füßen.

Im Jahr 1999 läuteten die wertebasierten Regime-Changer und humanitären Interventionisten der Grünen mit dem ersten Kampfeinsatz der Bundeswehr gegen die Bundesrepublik Jugoslawien die außenpolitische Zeitenwende ein. Wie später in Afghanistan, Libyen, Syrien oder Venezuela ging es schon damals nicht um Demokratie und Menschenrechte, sondern um das Vorantreiben eigener geopolitischer Interessen sowie die Schwächung Russlands. Ohne Mandat des UN-Sicherheitsrats begingen sie den angeblich »unvermeidlichen« Völkerrechtsbruch, zerstörten gezielt Brücken, Schulen, Kliniken, Strom- und Wasserversorgung. Die NATO setzte über 30.000 Urangeschosse ein, bombardierte Chemiezentren in Pančevo, Novi Sad und Bor.

Die »rot-grüne« Regierung belog die kriegsskeptische Bevölkerung, um sie – wie es auch heute Verteidigungsminister Pistorius fordert– kriegstüchtig zu machen. Der Grünen-Staatsminister Ludger Volmer hatte noch kurz vor Kriegsbeginn wahrheitswidrig behauptet, nur mit einem Mandat des UN-Sicherheitsrats werde man militärisch intervenieren, während sein Chef Joseph Fischer den unvorstellbaren Tabubruch des Auschwitz-Vergleiches beging und damit das schwerste Verbrechen der deutschen Geschichte zu instrumentalisieren und zu relativieren versuchte. Auch das Versprechen, der Jugoslawien-Krieg solle nicht zum Präzedenzfall für künftige Kriege werden, wurde gebrochen.

Und heute? Erst kürzlich erklärte die Grünen-Bundesaußenministerin Baerbock, sie wolle auf dem Balkan, den Deutschland bis heute als seinen Hinterhof betrachtet, »Flanken schließen, die Russland für seine Politik der Destabilisierung, Desinformation und Unterwanderung nutzen kann«. Und wie schon 1999 und später in Syrien, Venezuela oder der Ukraine kommen vom Westen geförderte »Umsturz-GmbHs« (Süddeutsche Zeitung) wie die »Otpor«-Gruppe zum Einsatz, die Hass und Chaos säen und den Willen der Mehrheitsbevölkerung missachten.

Wir dürfen nicht zulassen, dass die Schreibtischtäter straflos bleiben. Weder die von damals noch die heutigen Protagonisten der Zeitenwende. Das sind wir den Opfern schuldig.

Żaklin Nastić ist Bundestagsabgeordnete und Mitglied im BSW

https://www.jungewelt.de/artikel/471967.1999-die-zeitenwende.html