22.03.2024 / Inland / Seite 4

Furcht vor Isolation

Bundestag debattiert humanitäre Lage und israelisches Vorgehen im Gazastreifen

Jamal Iqrith

Der US-Präsident warnte in den vergangenen Tagen den israelischen Regierungschef mehrfach wegen der angekündigten Offensive in der palästinensischen Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens. Nun scheint es zunehmend auch deutschen Politikern zu dämmern, dass das, was die israelische Armee seit Monaten in der dichtbesiedelten Küstenenklave betreibt und was bereits mehr als 31.000 Menschen das Leben gekostet hat, immer schwieriger zu rechtfertigen ist und der Bundesrepublik langfristig außenpolitischen Schaden zufügen könnte. SPD-Chef Lars Klingbeil hatte am Montag in der Parteizentrale in Berlin betont, die »völkerrechtlichen Zweifel« am israelischen Vorgehen in Gaza »ernst zu nehmen« (und war dafür kritisiert worden).

Am Donnerstag hat der Bundestag im Rahmen einer von den Ampelfraktionen beantragten aktuellen Stunde über die Lage in »Israel und den palästinensischen Gebieten« diskutiert. Bei der einstündigen Debatte stand vor allem die drohende Militäroffensive in Rafah sowie die humanitäre Lage der palästinensischen Bevölkerung im Fokus, die nach Kriegsbeginn systematisch von Lebensmitteln, Trinkwasser, Medizin und Treibstoff abgeschnitten worden war.

Der Tenor der Debatte, bei der sich die Beiträge aller Fraktionen nur wenig unterschieden, schwankte zwischen der Rechtfertigung des militärischen Vorgehens gegen die Hamas-»Terroristen« und der Warnung vor einer sich zuspitzenden humanitären Lage im Zuge einer Militäroffensive im Süden. Mehrere Abgeordnete forderten eine humanitäre Feuerpause. Neben den bekannten Floskeln zum Existenz- und Selbstverteidigungsrecht Israels, die Vertreter aller Fraktionen bemühten, stach ein Aspekt besonders heraus: die Sorge der »Freunde Israels«, dass sich dieser Staat langfristig diskreditieren könnte. So meinte die SPD-Politikerin Gabriela Heinrich, eine Bodenoffensive in Rafah könnte Israel »international mehr isolieren«. Nils Schmid (SPD) gab zu bedenken, dass auch bei »den engsten Freunden Israels« Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der »Militäroperation in Gaza« wüchsen. Davor warnte auch der AfD-Politiker Joachim Wundrak. Für die Zustände in Gaza sei die Hamas verantwortlich, aktuell drohe die israelische Regierung trotzdem die Unterstützung ihrer »besten Freunde« zu verlieren.

Johann Wadephul (CDU) konstatierte, »das Sterben, das jeden Tag zu beobachten« sei, gehe »einzig und allein auf das Konto der Hamas«. Mit Blick auf einen möglichen Einmarsch äußerte er, die israelische Regierung betone zu Recht, dass sich die »gesamte militärische Führung der Hamas« in Rafah befinde. Ähnlich äußerte sich sein Parteikollege Jürgen Hardt, der zur Vorsicht riet, wenn man behaupte, der Einmarsch in die Stadt dürfe »auf keinen Fall stattfinden«. Florian Hahn (CSU) fragte, ob ein humanitärer Waffenstillstand nicht vor allem der Hamas nütze – »Barbaren«, gegen die Israel sich verteidige – statt der Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Ulrich Lechte von der FDP versicherte, das Völkerrecht sei »fest in den Entscheidungsstrukturen der israelischen Armee verankert«.

Ein Beitrag, der sich substantiell von den anderen unterschied, kam von Amira Mohamed Ali (Gruppe BSW), die als Schlussrednerin die Angriffe vom 7. Oktober 2023 als »entsetzliches Verbrechen« bezeichnete, aber hinzufügte, was »seit Monaten im Gazastreifen« passiere, habe »nichts mit Selbstverteidigung zu tun«. Daneben übte sie Kritik an den deutschen Waffenlieferungen nach Israel, die seit Beginn des Krieges sogar prioritär behandelt würden.

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