20.03.2024 / Kapital & Arbeit / Seite 9

Nächster Streik bei Amazon in Coventry

Großbritannien: Onlineriese steht kurz davor, Gewerkschaft erstmals in Europa anerkennen zu müssen

Dieter Reinisch

Der Arbeitskampf bei Amazon UK geht in die nächste Runde. Seit Dienstag wird das Verteilzentrum in Coventry erneut für 48 Stunden bestreikt. In der kommenden Woche wird auch an anderen britischen Amazon-Standorten die Arbeit niedergelegt. Die Beschäftigten kämpfen seit Sommer 2022 für bessere Löhne und die Anerkennung der GMB als offizielle Gewerkschaftsvertretung.

Konkret fordern die Mitglieder der Gewerkschaft GMB einen Mindeststundenlohn von 15 Pfund Sterling (18 Euro) sowie Gewerkschaftsrechte im Unternehmen. Dagegen erklärte ein Amazon-Sprecher am Dienstag gegenüber der Lokalzeitung Coventry Telegraph: »Wir überprüfen unser Gehalt regelmäßig, um sicherzustellen, dass wir wettbewerbsfähige Löhne und Zusatzleistungen bieten.« Bis April werde das Mindestanfangsgehalt je nach Standort auf 12,30 Pfund Sterling (14,40 Euro) und 13 Pfund Sterling (15,20 Euro) pro Stunde angehoben. Das entspreche einer Erhöhung von 20 Prozent in zwei Jahren und 50 Prozent seit 2018. »Wir arbeiten auch hart daran, großartige Zusatzleistungen, ein positives Arbeitsumfeld und hervorragende Karrieremöglichkeiten zu bieten«, so der Unternehmenssprecher.

Die Gewerkschaft, die Beschäftigte in öffentlichen und privaten Unternehmen organisiert und vertritt, sieht das anders. Rachel Fagan, GMB-Organisatorin und für die Arbeitskämpfe bei Amazon zuständig, erklärte vergangene Woche in einer Pressemitteilung, dass der Onlineriese zwar gehofft habe, die Arbeitskämpfe aussitzen zu können, dass aber »die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder bei Amazon hat explosionsartig zugenommen«. Eine erneute Streikaktion werde ein schwerer Schlag für die Konzernchefs sein, nur wenige Tage nachdem die Arbeiter ihren Antrag auf Gewerkschaftsanerkennung gestellt haben. Mit den Streiks in dieser und der nächsten Woche wolle man das Unternehmen »zwingen, auf die Arbeiter zu hören«.

Erst vor einer Woche hatten die GMB-Mitglieder des Amazon-Warenhauses in den englischen Midlands beim Central Arbitration Committee (CAC) einen Antrag auf Anerkennung eingereicht. Bisher hat sich Amazon – entgegen britischen Rechts – geweigert, Arbeitervertretungen an ihren Standorten in England anzuerkennen. Die Regierungsbehörde CAC ist für die Regulierung von Tarifverhandlungen zwischen Arbeitern und Unternehmen zuständig und kann Unternehmen dazu zwingen, eine Gewerkschaft anzuerkennen, wenn mehr als 50 Prozent der Belegschaft Mitglieder sind.

Nach mehr als einem Jahr Arbeitskampf am Standort Coventry ist die Zahl der GMB-Mitglieder laut Daily Mail »deutlich gestiegen«. Demnach ist die Gewerkschaft »zuversichtlich, die gesetzliche Anerkennungsschwelle zu überschreiten«. Und nicht nur das. Die Amazon-Kämpfe in England hätten eine weit darüber hinausgehende Bedeutung. »Unsere Mitglieder stehen kurz davor, eines der reichsten Unternehmen der Welt zu zwingen, ihre Gewerkschaft offiziell anzuerkennen«, erklärte Fagan laut der Zeitung am Dienstag. Dies wäre ein historisches Ereignis, da »Amazon zum ersten Mal in Europa gezwungen wäre, die Anerkennung einer Gewerkschaft zu akzeptieren«.

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