20.03.2024 / Titel / Seite 1

Maximal kriegswillig

Treffen der »Ukraine-Kontaktgruppe« auf US-Basis in Ramstein: Munition und Milliarden für Kiew zugesagt

Jörg Kronauer

Mit neuen Zusagen für die Lieferung von Waffen und Munition an die Ukraine ist am Dienstag auf der US-Luftwaffenbasis Ramstein das jüngste Treffen der »Ukraine-Kontaktgruppe« zu Ende gegangen. »Die freie Welt« werde »die Ukraine nicht scheitern lassen«, erklärte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin zu Beginn der Zusammenkunft, die er – wie stets seit dem ersten Ramstein-Treffen am 26. April 2022 – leitete. Austin lobte explizit »wichtige« Rüstungspakete, die Dänemark, Deutschland, Frankreich und Schweden jüngst angekündigt hätten, und sicherte Kiew seinerseits Militärhilfen im Wert von etwa 300 Millionen US-Dollar zu. Die US-Regierung hatte die Summe durch kreatives Rechnen im regulären Militäretat »auffinden« können. Die eigentlich angestrebten zusätzlichen 60 Milliarden US-Dollar werden weiterhin vom Repräsentantenhaus blockiert.

Für Deutschland kündigte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius auf dem Treffen, zu dem Regierungs- und Militärvertreter aus bis zu 50 Staaten erwartet wurden, ein weiteres Rüstungspaket im Wert von ungefähr einer halben Milliarde Euro an. Liefern will Berlin etwa 100 gepanzerte Infanterie- sowie 100 Logistikfahrzeuge; auch sollen 10.000 Schuss Munition aus Beständen der Bundeswehr zur Verfügung gestellt werden. Laut gängigen Schätzungen deckt das den Verbrauch der ukrainischen Streitkräfte für ziemlich genau eineinhalb Tage. Berlin will zudem 180.000 Schuss aus einer Initiative Tschechiens bezahlen, die darauf zielt, bis zu 800.000 Granaten in Nicht-NATO-Staaten zu beschaffen. Auch sie wurde in Ramstein von Austin gelobt. In Tschechien, wo mit Petr Pavel ein früherer Vorsitzender des NATO-Militärausschusses als Präsident amtiert, heißt es, den Kauf von 300.000 Schuss habe man bereits vertraglich sichern können. Geliefert wird allerdings frühestens Mitte des Jahres.

Für das Treffen in Ramstein angekündigt war nicht zuletzt die Gründung einer »Koalition für weitreichende Raketenartillerie«. Sie soll die Beschaffung von Raketen organisieren, mit denen russische Ziele weit hinter der Front angegriffen werden können, unter anderem auf der Krim. Dies gilt mit Blick auf den ukrainischen Mangel an Munition und vor allem an Soldaten als eine der wenigen Möglichkeiten, Russland gravierende Schäden beizubringen und die Offensive, in der es sich derzeit befindet, zu bremsen.

Bereits am Montag hatten sich die EU-Außenminister geeinigt, für die Zeit bis 2027 weitere fünf Milliarden Euro für die Aufrüstung der Ukraine zur Verfügung zu stellen – und zwar im Rahmen der orwellianisch benannten »Europäischen Friedensfazilität« (EFF). Aus dieser können sich die EU-Staaten Ausgaben für Waffenlieferungen an die Ukraine erstatten lassen. Der Plan des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, die EFF mit mindestens 20 Milliarden Euro auszustatten, war vor allem an der Bundesregierung gescheitert. Die von Berlin abgenickten Regeln sehen nun vor, dass Deutschland zwar gut 1,25 Milliarden Euro zur EFF beitragen muss, sich aber aus ihr für seine eigenen Waffenlieferungen an die Ukraine einen noch höheren Betrag zurückzahlen lassen kann. Insgesamt ist ungefähr die Hälfte der Gelder bereits fest verplant.

Mit einer besonderen Rechenleistung wartete am Dienstag die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas auf. Alle NATO-Mitglieder sollten 0,25 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Militärhilfe für die Ukraine reservieren. Man habe errechnet, »dass dies Russland übertrumpfen könnte«, sagte sie in Berlin.

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