15.03.2024 / Inland / Seite 5

Lobbyfußspuren im Bundestag

Studie bescheinigt Bundesregierung Fortschritte bei Lobbyregulierung. Von kompletter Transparenz kann aber längst keine Rede sein

Ralf Wurzbacher

Verbessert, aber immer noch unzureichend. Ihre Maßnahmen zur Schaffung von mehr Transparenz im Politbetrieb haben der Bundesregierung verhaltenes Expertenlob beschert. Die Bilanz der Ampelkoalition bei der Lobbyregulierung könne sich nach gut zwei Jahren »durchaus sehen lassen«, befand Timo Lange vom Verein Lobby Control am Donnerstag bei einer Onlinepressekonferenz zur Vorstellung des »Lobbyreports 2024«. Gleichwohl bestünden weiterhin »gravierende Lücken und Missstände«, weil vorhandene Bestimmungen »nicht konsequent durchgesetzt und kontrolliert« würden. »Immer wieder« werde deutlich, dass Selbstkontrolle von Institutionen nicht genüge. Es brauche »eine starke, politisch unabhängige Aufsicht«.

Der »Lobbyreport« arbeitet seit 2013 die wichtigsten Entwicklungen in den Bereichen Lobbyismus und Lobbyregulierung in einer Wahlperiode auf. Kamen frühere Auflagen meist einem Verriss gleich, geizen die Autoren diesmal nicht mit Anerkennung: Gleich auf drei von sechs untersuchten Feldern – Lobbyregister, Seitenwechsel zwischen Politik und Wirtschaft sowie Abgeordnetenregeln – vergeben sie die Wertung »grün-gelb«, zweimal reicht es für »gelb« und nur einmal setzt es »rot« beim Thema Interessenkonflikte in Bundesministerien.

Für Schlagzeilen hatte hier insbesondere die sogenannte Trauzeugenaffäre um den Exstaatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Patrick Graichen, in Zusammenhang mit der Besetzung des Chefpostens der Deutschen Energie-Agentur (dena) gesorgt. Nach einer Empfehlung der Staatengruppe gegen Korruption (Greco) des Europarats müssen hochrangige Entscheider private und finanzielle Interessen regelmäßig offenlegen. Die Ampel versprach zwar einen entsprechenden Reformvorstoß, hat aber bislang nichts in der Richtung unternommen. Und so bleibt es laut Studie bis heute bei der Absurdität, dass Bundestagsabgeordnete mehr über sich preisgeben müssen als führende Beamte in den Schaltzentralen der Macht.

Deutliche Fortschritte hat die Regierung dagegen mit der Reform des zu Beginn des Jahres 2022 eingeführten Lobbyregisters erzielt. Die Ursprungsversion stammte noch von der »Großen Koalition«, war aber über weite Strecken ein Papiertiger. Mit der zum 1. März 2024 in Kraft getretenen Novellierung müssten Lobbyisten nun »wesentlich umfangreicher Auskunft geben, worauf ihre Lobbyarbeit zielt, wie sie sich finanzieren und wer wen in welchem Umfang mit Lobbyarbeit beauftragt«, konstatieren die Autoren. Allerdings bleibe es »problematisch«, dass Ausnahmen für einige Akteure wie Unternehmerverbände und Gewerkschaften bestehenbleiben.

Weniger zufrieden – Note »gelb« – ist Lobby Control mit der am 6. März vom Bundeskabinett beschlossenen Regelung für eine »Lobbyfußspur«. Diese soll nachvollziehbar machen, auf welche Weise Interessenvertreter bei der Entstehung von Gesetzen mitgemischt oder versucht haben, darauf einzuwirken. Der Regierungsentwurf bleibe jedoch hinter den Erwartungen zurück, weil nicht sämtliche schriftlichen Eingaben und Treffen veröffentlicht werden sollten, sondern die Ministerien lediglich darstellen müssten, inwieweit Lobbyisten »wesentlich zum Inhalt des Gesetzentwurfs beigetragen haben«. Das lasse viel Interpretationsspielraum, monieren die Verfasser, »ein Gesamtbild der Beteiligung und des Einflusses Dritter auf ein Gesetz ergibt sich so jedenfalls nicht«.

Dagegen sei die BRD mit der umfassenden Reform des Abgeordnetenrechts und einigen Verbesserungen in puncto Parteienfinanzierung »endlich auf dem Weg zu einem zeitgemäßen Regelungsrahmen für Transparenz und Integrität in der Politik«, bemerkte Lange. Koautor Aurel Eschmann hob hierbei Änderungen beim Parteiensponsoring und die neuen Vorgaben für Wahlwerbekampagnen durch Dritte hervor, wodurch lange bestehende Defizite behoben würden. Auch dass mehr hohe Spenden unverzüglich veröffentlicht werden müssten, sei ein spürbarer Zugewinn. Indes bleibe das größte Manko mit dem Fehlen einer Obergrenze für Spenden und Sponsoring bestehen. »Damit ist Geld in unbegrenztem Ausmaß an politischen Einfluss gekoppelt, das darf nicht sein«, bemängelte Eschmann.

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