14.03.2024 / Titel / Seite 1

Jein zum TAURUS-Nein

Schlagabtausch zwischen Scholz und CDU/CSU im Bundestag. Kein Applaus für Kanzler von Bündnis 90/Die Grünen und FDP

Arnold Schölzel

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der Lieferung deutscher TAURUS-Marschflugkörper an die Ukraine zwar erneut eine Absage erteilt, zugleich aber die fast unbegrenzte militärische Unterstützung für Kiew bekräftigt. Er vertrat am Mittwoch erstmals in diesem Jahr im Rahmen der regulären Befragung der Bundesregierung durch den Bundestag sein Kabinett. Seine Doppelstrategie im Ukraine-Krieg formulierte er mit der Beteuerung, einerseits »alles zu tun, um die Ukraine zu verteidigen«, andererseits, ihr »weitreichende Waffen, die mit dem Einsatz deutscher Soldaten verbunden sind«, zu verweigern. Die Widersprüchlichkeit nutzte insbesondere die oppositionelle CDU/CSU-Fraktion, um Scholz Unklarheiten und Täuschung vorzuwerfen.

Die Union hat für diesen Donnerstag erneut den Antrag gestellt, über die TAURUS-Lieferung abzustimmen. Medien spekulieren, dass dieses Mal nicht nur die FDP-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann wie im Februar einem solchen Antrag zustimmt, sondern auch weitere Vertreter von FDP und Bündnis 90/Die Grünen. In auffälliger Weise erhielt Scholz beim Thema TAURUS von seinen Koalitionspartnern keinerlei Beifall.

In der Debatte polemisierte Scholz um so mehr mit Christdemokraten, die unter anderem fragten, warum der Bundeskanzler der Ukraine die Zielsteuerung nicht überlassen wolle – und ob das nicht ein »Misstrauensbeweis« an die Ukraine sei. Das wies Scholz zurück: »Wir vertrauen der Ukraine.« Statt einer klaren Stellungnahme dazu, ob Kiew sich bisher an Absprachen bei weitreichenden Waffen gehalten habe, rief er der Unionsabgeordneten zu: »Die Bürgerinnen und Bürger haben Angst vor Ihnen.«

Daraufhin kam es zu einem scharfen Schlagabtausch mit dem CDU-Politiker Norbert Röttgen. Röttgen fragte Scholz, ob dieser der völkerrechtlichen Auffassung sei, dass Frankreich und Großbritannien durch die Lieferung von Marschflugkörpern an die Ukraine »Kriegsbeteiligte« geworden seien. Die »Antwort«: »Mit Halbwahrheiten wird öffentliche Kommunikation betrieben.« Als Röttgen zurückgab, er habe Scholz lediglich zitiert, sagte der Kanzler: »Nein. Durch die Lieferung der Waffen wird man nicht ›Kriegsbeteiligter‹. Niemand hat das gesagt. Ich nicht und auch sonst keiner, den ich im verantwortlichen Umfeld der Bundesregierung kenne.« Scholz ergänzte: »Was mich aber ärgert, ist, sehr geehrter Abgeordneter, lieber Norbert, dass du alles weißt und eine öffentliche Kommunikation betreibst, die darauf baut, dass dein Wissen kein öffentliches Wissen ist.«

Röttgen wies das als Unterstellung zurück und warf dem Kanzler vor, seine wahren Motive für das Nein zur TAURUS-Lieferung nicht zu erläutern, sondern immer neue Ausreden zu finden: »Sie spielen nicht mit klaren Karten. Und Sie zielen darauf ab, die Öffentlichkeit in dieser Frage zu täuschen – in einer Frage der europäischen und nationalen Sicherheit.« Scholz wies das zurück und erklärte: »Und deshalb wiederhole ich noch mal: Aus meiner Sicht ist das eine sehr weitreichende Waffe. Diese Waffe könnte angesichts der Bedeutung, dass man die Kontrolle über die Ziele nicht verlieren darf, nicht ohne den Einsatz deutscher Soldaten eingesetzt werden. Das lehne ich ab.«

Die Eskalationssucht Strack-Zimmermanns und anderer bleibt so vorerst unerfüllt. Sie nahm aber in der anschließenden Aktuellen Stunde »TAURUS-Abhörskandal in der Bundeswehr« schon den Sieg vorweg: »Offensichtlich hat nämlich Russland vor dem ­TAURUS richtig die Hose voll.«

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