12.03.2024 / Ausland / Seite 7

Kein Kauderwelsch

Portugal hat am Sonntag konservativ gewählt. Extreme Rechte vervielfacht ihre Mandate

Carmela Negrete

Am Sonntag hat Portugal ein neues Parlament gewählt. Es war die zweite Parlamentswahl innerhalb von nur zwei Jahren. Das konservative Bündnis »Demokratische Allianz« (Aliança Democrática, AD) mit Luís Montenegro an der Spitze wurde die stärkste Kraft mit 29,5 Prozent der Stimmen und mindestens 79 Mandaten. Die bisher regierenden Sozialdemokraten des Partido Socialista (PS) sind auf nur 28,5 Prozent sowie 77 Sitze abgestürzt. PS-Kandidat Pedro Nuno Santos, der eher linksorientierte frühere Minister für Wohnen, konnte die Wähler anscheinend nicht besser überzeugen. Die extrem rechte Partei »Chega!« (»Genug! Basta! Es reicht!«) erreichte nicht, wie in Prognosen vorhergesagt, 20 Prozent, bekam jedoch rund 18 Prozent der Stimmen und vervierfachte somit die Anzahl ihrer Sitze von zwölf auf 48. Bisher hat Montenegro jedoch versichert, nichts mit Chega-Chef André Ventura zu tun haben zu wollen. Insbesondere im Süden Portugals haben die Menschen vermehrt die rassistische Chega gewählt, mit rund 27 Prozent gewann sie die Abstimmung im Distrikt Faro in der Algarve.

Bereits vor der Wahl waren die Schwierigkeiten für eine Regierungsbildung bei einem solchen Ergebnis diskutiert worden. Denn so etwas wie eine »große Koalition« hat es bisher in Portugal nicht gegeben, und sie erscheint auch unwahrscheinlich angesichts des Umstands, dass der Urnengang wegen Korruptionsvorwürfen bei Lithium- und Wasserstoffkonzessionsverfahren unter der Regierung des PS-Premiers António Costa vorgezogen worden war. Selbst zusammen mit der »Liberalen Initiative« (Iniciativa Liberal, IL) und ihren fünf Prozent wird es für Montenegro womöglich nicht für eine auch nur instabile Mehrheit reichen. Allerdings hat sich Santos im Wahlkampf für ein Zusammengehen mit der AD ausgesprochen, um zur Not eine Beteiligung von Chega an der Macht zu verhindern.

Die linke Partei »Linksblock« (­Bloco de Esquerda, BE) erhielt fünf Abgeordnetenmandate, während die »Demokratische Einheitskoalition« (Coligação Democrática Unitária, CDU; allerdings bestehend aus Kommunisten und Grünen) vier Sitze erlangte. Auch die linksliberale Partei Livre (»Frei«) bekam vier Sitze, und die Tierschutzpartei PAN (»Pessoas–Animais–Natureza«: Menschen, Tiere, Natur) erhielt ein Mandat.

Die Kandidatin und Koordinatorin des BE, Mariana Mortágua, hatte im Wahlkampf angesichts der niedrigen Umfragewerte erklärt, dass sie sich wünsche, eine Koalition zu bilden, die Forderungen wie eine Mietsenkung und etliche andere soziale Verbesserungen in einem Koalitionsvertrag festhalten würde. Damit spielte sie auf die Idee an, man könnte die Regierung der »Geringonça«, wie die Medien sie genannt hatten, wiederholen. Am Wahlabend kündigte sie einen »kämpferischen Widerstand« an, »um die Rechte (Chega, jW) von der Regierung fernzuhalten«. Sie erinnerte auch daran, dass der BE einen leichten Anstieg von 30.000 Stimmen verzeichnet habe.

Das Wort »Geringonça«, das auf deutsch etwa »Kauderwelsch« heißt, stand seit 2015 für eine PS-BE-CDU-Koalition, die später auch ohne die Kommunisten wiederholt wurde. Costas PS wurde eine Art Musterschüler der europäischen Sozialdemokratie. Unter der Regierung des früheren Premiers waren Verschuldung und Erwerbslosigkeit zwar zurückgegangen. Zugleich florierte jedoch die Immobilienspekulation, und die Steuergesetzgebung war für Vermögende äußerst günstig, wodurch sich nicht zuletzt die Situation auf dem Wohnungsmarkt verschärft hat. Mindestlohn und Rente wurden angehoben, aber das fraß die Inflation wieder auf. Andere Maßnahmen wie die Senkung von Studiengebühren und günstige Tickets für öffentliche Transportmittel blieben Tropfen auf den heißen Stein. Daher hielten Proteste und Streiks in den vergangenen Jahren auch an.

Doch den Portugiesen war der Unterschied zur vorherigen Krisen- und Kahlschlagspolitik nicht entgangen. Das hatte Costa 2022 genutzt, um Neuwahlen auszurufen. Der PS gewann diese mit absoluter Mehrheit. Dann gab es jedoch die bereits erwähnten beiden großen Korruptionsaffären. Auch auf mögliche Neuwahlen im Sommer könnten diese Skandale weiter dunkle Schatten werfen.

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