11.03.2024 / Inland / Seite 5

Nächste Kürzungsorgie

Haushalt 2025: Finanzminister Lindner will überall »sparen«, nur nicht beim Rüstungsetat. DGB warnt vor »sozialen Verwerfungen«

Sebastian Edinger

Kaum ist der Kürzungsetat für das laufende Jahr in trockenen Tüchern, steckt das Bundesfinanzministerium (BMF) schon den Rahmen für die Verhandlungen über den Bundeshaushalt 2025 ab. Wenig überraschend: Auch im nächsten Jahr soll überall gekürzt werden – einerseits, um eine weitere schuldenbremsenbedingte Finanzierungslücke im zweistelligen Milliardenbereich zu schließen, andererseits, um weiter steigende Rüstungsausgaben aus anderen Töpfen zu finanzieren.

Zwar behauptete Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gegenüber dem Tagesspiegel (Sonntagsausgabe), dass »wir (…) keine Leistungen kürzen (werden), die den Bürgern zustehen« und dass es »der falsche Weg« sei, »die Renten gegen die Rüstung auszuspielen«. Bei näherer Betrachtung der Ampelpläne klingen Heils Worte jedoch wie leere Versprechungen. Bei konstantem Rüstungsetat schätzt das BMF den Kürzungsbedarf zur Einhaltung der Schuldenbremse auf 15 bis 25 Milliarden Euro. Anpassungen könnten sich ergeben, wenn Mitte Mai die Steuerschätzung vorliegt. Doch Kriegsminister Boris Pistorius (SPD) hat bereits »großen Investitionsbedarf« bei der Bundeswehr angemeldet, wofür sich Finanzminister Christian Lindner (FDP) offen zeigte. Zugleich betonte er dann, dies erfordere Kürzungen an anderen Stellen. Lindners Favorit dafür sind die Sozialausgaben – hier brachte er gleich ein mehrjähriges Moratorium ins Spiel, um Erhöhungen auch über die gegenwärtige Haushaltskrise hinaus auszuschließen.

»Es wird eine gemeinsame Kraftanstrengung der Bundesregierung erfordern, den Handlungsbedarf im Bundeshaushalt aufzulösen«, kündigte Lindner vergangene Woche in einer E-Mail an die Ministerien an. Aus seinem Haus hieß es, nach Jahren mit »extrem hohen Ausgaben« sei man nun in einem Anpassungsprozess. Deshalb seien alle Ressorts aufgefordert, weitere Einsparmöglichkeiten zu entwickeln. Umgekehrt sollen die Ministerien davon abgehalten werden, neue Bedarfe überhaupt erst anzumelden. So will Lindner auf die übliche Festlegung von Eckwerten, über die dann verhandelt wird, verzichten. Das sei nicht zielführend, weil es nichts zu verteilen gebe, argumentierte er.

Statt dessen soll das BMF den anderen Häusern gleich Ausgabenobergrenzen vorgeben und so die Verhandlungsspielräume von Anfang an extrem beschränken. Ein erster in der Bundesregierung abgestimmter Entwurf soll dann nach dem Willen des Finanzministers jedenfalls bis Anfang Juli stehen. Nach der parlamentarischen Sommerpause soll dann der Bundestag darüber beraten, um Ende November einen finalen Beschluss zu fassen. Ob die Herangehensweise von der Bundesregierung akzeptiert wird, bleibt allerdings noch abzuwarten.

Aus der SPD gibt es zaghafte Unmutsbekundungen über die neuen Kürzungspläne. So sagte etwa Achim Post, stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion, der Haushalt müsse »den enormen Herausforderungen der Zeitenwende gerecht werden«. Da brauche es mehr Priorisierung, gleichzeitig erwarte er aber auch »eine konstruktive Debatte darüber, auf welchen Wegen Finanzierungsspielräume ausgeweitet werden können«.

DGB-Chefin Yasmin Fahimi warnte bereits davor, in Krisenzeiten »soziale Verwerfungen durch Einsparungsdebatten zu provozieren«. Die deutschen Sozialausgaben seien »weder im internationalen noch im historischen Vergleich besonders hoch – und zuletzt auch keineswegs stark gewachsen«. Man müsse »ran an die Schuldenbremse«. Schließlich sei es eindeutig, dass die Unterstützung der Ukraine eine Notlage darstelle. Damit ließe sich ein neuerliches Aussetzen der Regeln begründen. Diesem Ansatz erteilte Lindner allerdings schon eine Absage, für ein Aussetzen der Schuldenbremse gebe es »keine Grundlage«, sagte er.

Zugleich unterstrich der Finanzminister seine Leidenschaft für Kürzungsorgien auch mit Blick auf den Haushalt für das laufende Jahr – und gab zunächst nur ein Viertel der für Klimaschutzmaßnahmen und den Umbau der Wirtschaft vorgesehenen Mittel frei. Dies sei eine vorläufige Vorsichtsmaßnahme für das erste Halbjahr, hieß es am Freitag. Es wird eben keine Gelegenheit ausgelassen, die Ressorts – mit Ausnahme des Kriegsministeriums, versteht sich – zu disziplinieren.

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