11.03.2024 / Inland / Seite 4

Ruf nach Bunkern und Sirenen

Kommunaler Spitzenverband besorgt über Zustand des Zivilschutzes in der BRD

Marc Bebenroth

Mit ihrer Forderung nach deutlich mehr Unterstützung für die Versorgung von Geflüchteten beißen die Kommunen seit Monaten in Berlin auf Granit. Nun ruft ihr Spitzenverband nach mehr Beton. »Es ist dringend notwendig, stillgelegte Bunker wieder in Betrieb zu nehmen«, hat der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Wochenende gefordert. »Für den Schutz der Zivilbevölkerung brauchen wir in jedem der nächsten zehn Jahre mindestens eine Milliarde Euro«, sagte André Berghegger. Dies sei nur eine Anschubfinanzierung. Bereitgestellt werden sollen die Mittel aus dem regulären Bundeshaushalt.

Die Kriegslogik ist beim Verbandschef vollends angekommen. »Es ging uns lange Zeit sehr gut. Das hat uns etwas sorglos gemacht«, gab Berghegger zu bedenken. Doch die »Bedrohungslage« habe sich geändert, dies zeige der Ukraine-Krieg. Im Kopf hat der Verbandschef dabei Bilder aus Kiew, »wo Menschen Zuflucht vor russischen Raketen suchen«. Für ein solches Szenario müsse auch in der BRD geplant werden. Es gehe »ganz allgemein um den Schutz der Bevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren«. So seien von den 2.000 öffentlichen Schutzräumen aus dem »Kalten Krieg« nur noch 600 vorhanden, die rund 500.000 Personen aufnehmen könnten, warnte Berghegger. Es müssten neue, moderne Schutzräume gebaut werden. Ihm zufolge könnten in Ballungszentren auch Tiefgaragen und U-Bahn-Schächte für den Zivilschutz genutzt werden.

Tatsächlich ist der sogenannte Zivilschutz gegen die Folgen kriegerischer Konflikte Aufgabe des Bundes. Doch Milliarden in die Modernisierung oder den Neubau von Schutzbunkern wird diese Bundesregierung vermutlich nicht stecken. Man könne »den Bestand nicht wieder hochfahren«, hatte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Freitag in Helsinki erklärt. Das Thema Schutzräume werde aber »ein Teil des Operationsplans Deutschland und unserer integrierten Sicherheitsplanung sein«. In Finnlands Hauptstadt hatte sich der Minister die dort größte Bunkeranlage zeigen lassen, wie das ZDF am Sonnabend berichtete.

Ebenfalls geboten sei es, die Warnung der Bevölkerung bundesweit über verschiedene technische Lösungen zu gewährleisten. »Wir brauchen einen breiten Mix aus digitalen und analogen Instrumenten. Dazu gehören Apps, Radio und Fernsehen, Anzeigetafeln und natürlich auch Sirenen«, sagte Berghegger den Funke-Zeitungen. »Es darf keine Kommune mehr ohne Sirenen geben«, betonte er. In der Vergangenheit musste der sogenannte Warntag in der BRD abgesagt und vertagt werden, da nicht überall genügend Sirenen vorhanden oder einsatzbereit waren. Am Donnerstag will mit Nordrhein-Westfalen das bevölkerungsreichste Bundesland seine Warninfrastruktur testen.

Im aktuellen Haushalt 2024 sei der Posten für das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BKK) um 40 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr gekürzt worden, kritisierte Berghegger. Der nächste bundesweite Warntag ist laut BKK für den 12. September geplant.

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