11.03.2024 / Ausland / Seite 2

Papst fordert Verhandlungen

Vatikan ruft zur Beendigung des Ukraine-Krieges auf. US-Militärstiftung sieht Kiew »die Zeit davonlaufen«

Reinhard Lauterbach

Papst Franziskus hat zu einer Beendigung des Ukraine-Kriegs durch Verhandlungen aufgerufen. In einem Interview am Sonntag für das Schweizer Fernsehen sagte er wörtlich: »Wenn man sieht, dass man besiegt ist, dass es nicht gut läuft, muss man den Mut haben, zu verhandeln.« Das sei niemals eine Kapitulation; letztlich werde sich die Seite als die stärkere erweisen, die den Mut habe, das Schicksal ihres Volkes ins Auge zu fassen und notfalls die weiße Fahne zu hissen. Formal wandte sich Franziskus an alle Seiten; praktisch richtete sich sein Appell in erster Linie an die Ukraine und ihre westlichen Unterstützer.

Dort war die Reaktion überwiegend ablehnend. Der polnische Außenminister Radosław Sikorski lobte am Freitag im Warschauer Parlament ausdrücklich das Vorgehen des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, mit der direkten Entsendung von Truppen zu drohen. Der Westen müsse die Fähigkeit zur »kreativen Eskalation« entwickeln, so Sikorski. Außer Frankreich seien noch etliche EU-Staaten bereit, Truppen zu entsenden. Welche, sagt Sikorski nicht, auch nicht, ob Polen dazugehöre. Er vertrat die Auffassung, nicht die ­Ukraine müsse die weiße Fahne hissen, sondern Russland – indem es sich aus der Ukraine zurückziehe.

Unterdessen hat der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan bei einem Treffen mit seinem ukrainischen Kollegen Wolodimir Selenskij erneut seine Bereitschaft erklärt, einen Friedensgipfel zu organisieren. Selenskij ging darauf allerdings nicht ein und wiederholte seinen Standpunkt, es müsse zunächst einen »globalen« Vorgipfel in der Schweiz geben, der ohne Beteiligung Russlands die Friedensbedingungen formuliere und anschließend Vertreter Russlands einladen solle. Das wäre eine Wiederholung des Szenarios, wo am Ende des Ersten Weltkriegs die westlichen Siegermächte zuerst unter sich den Vertrag von Versailles aushandelten und anschließend eine Delegation des besiegten Deutschlands zur Unterzeichnung herbeizitierten.

Dass dies ein völlig illusorisches Szenario ist, weiß man auch im Westen. Die einflussreiche US-Zeitschrift Foreign Policy veröffentlichte am Freitag eine Analyse der vom Pentagon finanzierten Rand-Stiftung. Sie stand unter dem Titel »Der Ukraine läuft die Zeit davon«.

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