09.03.2024 / Ansichten / Seite 8

Von Sinnen

Opposition gegen Macrons Ukraine-Pläne

Hansgeorg Hermann

Es ist meist schwer, für Emmanuel Macrons »geflügelte Worte« eine vernünftige Erklärung zu finden. Es gibt sie bisweilen einfach nicht. Ein jüngeres Beispiel: Der französische Präsident hat vor einer Woche nicht gesagt, dass er französische Soldaten in die Ukraine schicken will. Aber er hat es eben auch »nicht ausgeschlossen«. Mittwoch nachmittag hatte er dann die Anführer der parlamentarischen Opposition in seinen Palast geladen, um ihnen – wie es aus dem Élysée hieß – seine Position zu erläutern, was die von ihm gewollte Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen die Russische Föderation betreffe. Um es vorwegzunehmen: Seine Pläne – Umstellung auf Kriegswirtschaft und Hilfe »sans limite«, ohne Einschränkung also – wurden unisono zurückgewiesen. Die Anwesenden hätten sich am Ende des Vortrags offenbar gefragt – so und nicht anders sind die anschließenden Stellungnahmen der bürgerlichen und der extremen Rechten sowie die der Kommunisten, Sozialisten und Sozialdemokraten zu interpretieren –, ob der Mann an der Spitze der Nation wirklich noch alle Sinne beisammen habe.

Macron, der sich mal wieder in einem »langen Kampf für die Freiheit« wähnt, den er die französische Armee bereits im südlichen Sahel erfolglos führen ließ, steht nicht selbst mit dem Gewehr an der Front. Ganz wie Erich Maria Remarque lehrte: Dass besonders jene den Krieg befürworten, »die selbst nicht hingehen müssen«. Macron ist ein Mann, dessen Spiel mit großen Worten nicht wirklich beeindruckt – besonders Wladimir Putin nicht –, sondern, schlimmer, friedliche Menschen in Frankreich und Europa verschreckt. Worte sind Waffen, wenn sie im falschen Kontext gesprochen werden. Das gilt übrigens auch für die Sprache des deutschen Kriegsministers Boris Pistorius. Das Wort »tüchtig« – das nur am Rande bemerkt – beschrieb bis zu seiner hässlichen Verwandlung in »kriegstüchtig« noch hart und ehrlich arbeitende Handwerker, Bauern, Krankenschwestern oder Lehrerinnen. »Tüchtig« waren in unseren Kindheitstagen nicht Soldaten, die Städte zertrümmert hatten, sondern Maurer, die sie wieder aufbauten.

Am 12. März wird Macrons verbale Kriegstreiberei in der Nationalversammlung verhandelt werden. Eine Mehrheit wird sich nicht hinter ihn stellen, davon kann jetzt schon sicher ausgegangen werden. Kein Oppositioneller hat bisher Lobendes geäußert, selbst aus der bürgerlichen Rechten nicht. Auch Teile der Regierungsfraktion scheinen entschlossen zu sein, dem Präsidenten zu widersprechen. Das kürzeste und bedeutendste Resümee zog einmal mehr der »Oberlinke« Jean-Luc Mélenchon: Der Staatschef sei in einer »Kriegslogik« gefangen, die »keinen anderen Sinn mehr« entfalte, als »die nukleare Vernichtung des Kontinents«.

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