09.03.2024 / Ausland / Seite 6

Kopf an Kopf in den Abruzzen

Mitte-Links gibt sich bei Wahlen siegessicher. Meloni warnt vor »verheerenden« wirtschaftlichen Folgen bei Niederlage

Gerhard Feldbauer

Zwei Wochen nach dem Wahlsieg der Mitte-links-Kandidatin Alessandra Todde der »Fünf-Sterne-Bewegung« (M5S) auf Sardinien wird an diesem Sonntag in der Bergregion Abruzzen ein neues Parlament und dessen Präsident gewählt. Es wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Kandidaten von Giorgia Melonis faschistischen Fratelli d’Italia (FdI) und dem der sozialdemokratischen Partei (PD) erwartet. Von den FdI kämpft der Verkehrsunternehmer Marco Marsilio um die Wiederwahl. Die PD hat den unabhängigen linken Professor und Universitätsdirektor Luciano D’Amico aufgestellt, der wieder von dem von PD und M5S gebildeten »breiten Feld« unterstützt wird, diesmal »Pakt für die Abruzzen« genannt. Es gibt keine Stichwahl, so dass derjenige der beiden Bewerber mit den meisten Stimmen unabhängig vom Prozentsatz Sieger wird. Laut Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Winpoll liegt Marsilio, der 2019 auf 48 Prozent kam, diesmal mit 50,4 Prozent an der Spitze. D’Amico käme demnach auf 49,6 Prozent.

Auf einer Kundgebung mit Unternehmern vor der Handelskammer der Region in Teramo erklärte Meloni am Dienstag, es werde »verheerende Auswirkungen« für die Abruzzen haben, wenn Marsilio nicht bestätigt würde. D’Amico erwiderte, »wir haben gezeigt, dass es möglich ist, zwischen allen demokratischen Kräften eine Einigung für eine Alternative zur Rechten zu erzielen«. Um ihr Nichtstun zu vertuschen, versuchen sie, den Konflikt zu radikalisieren oder sagen »unwahre Dinge«. Die Finanzierung in den Abruzzen gehöre zu seinen Schwerpunkten, da gebe es »keinen Raum für politische Erpressung«. Vor allem aber, erklärte er, »werde ich mich auf das wirkliche schwarze Loch konzentrieren, nämlich das Gesundheitswesen«. In diesem Zusammenhang kündigte er eine »Neuorganisation des lokalen medizinischen Netzwerks« an, um die Wartelisten in den Notaufnahmen zu reduzieren.

Die demonstrierte Geschlossenheit kann nicht verdecken, dass M5S und PD unter Führung von Elena Schlein weiterhin gegensätzliche Positionen in der Antikriegsfrage beziehen. In Strasbourg hat Schleins PD gerade mit dem EU-Parlament einer unverbindlichen Resolution zum Ukraine-Krieg zugestimmt, sich selbst keine Begrenzungen von Waffenlieferungen aufzuerlegen. Giuseppe Contes M5S lehnte ab. Auf Sardinien haben beide Parteien die Frage bisher ausgeklammert. Das belastet nicht nur die Basis des »Campo largo«, sondern kostet auch die Stimmen der noch immer starken Friedensbewegung. Das kommunistische Magazin Contropiano schrieb auf seinem Onlineportal, auf Sardinien habe der Abwärtstrend der Rechten begonnen, schränkte aber ein, dass nur eine Linke, die sich endgültig von Krieg und Neoliberalismus befreit, eine Alternative zur »autoritären Rechten« darstellen kann. Zwar erklären PD und M5S, auch in Basilikata und Umbrien zu den im Oktober anstehenden Regionalwahlen gemeinsam anzutreten, doch ewig wird das so nicht gehen. Es bleibt fraglich, ob sich das »weite Feld« bis zum Oktober halten wird, wenn es für Mitte-Links in den betreffenden Regionen ebenfalls darum geht, die extreme Rechte zu schlagen. Nach Sonntag wird der nächste Test dafür die Wahl eines neuen EU-Parlaments am 9. Juni sein.

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