07.03.2024 / Kapital & Arbeit / Seite 9

Deftige Strafzölle

EU-Kommission sanktioniert Einfuhr chinesischer Elektroautos. BYD weltweit größter Hersteller batteriebetriebener Fahrzeuge

Jörg Kronauer

Die Einfuhr chinesischer Elektroautos in die EU kann ab dem heutigen Donnerstag mit deftigen Strafzöllen belegt werden. Dies geht aus einer Mitteilung der EU-Kommission von Dienstag hervor. Demnach habe eine im Oktober in Brüssel initiierte Untersuchung schon jetzt zahlreiche Hinweise geliefert, dass Beijing chinesische Hersteller von Elektroautos mit erklecklichen, laut Auffassung der EU unzulässigen Beträgen subventioniert habe. Die Untersuchung muss spätestens im November abgeschlossen werden; provisorische Strafzölle können allerdings bereits ab Juli kassiert werden. Die EU-Kommission geht jetzt über die üblichen Praktiken hinaus und will sogar die rückwirkende Strafverzollung ermöglichen. Um die notwendigen Daten dafür zur Verfügung zu haben, soll die erforderliche Zollregistrierung batteriebetriebener Fahrzeuge aus der Volksrepublik mit sofortiger Wirkung beginnen.

Die EU-Strafzölle kommen zu einem Zeitpunkt, zu dem chinesische Elektroautohersteller eine Exportoffensive eingeleitet haben, die ihnen nach Lage der Dinge Erfolg verspricht. Bei batteriebetriebenen Fahrzeugen gelingt den Kfz-Produzenten aus der Volksrepublik, was sie bei Verbrennern nicht geschafft haben: Sie stehen qualitativ zumindest gleichauf mit ihrer westlichen Konkurrenz, können aber kostengünstiger produzieren und haben daher Chancen, auch die Märkte der wohlhabenden westlichen Länder zu erobern. Lag ihr Anteil am europäischen Elektroautomarkt im Jahr 2019 noch bei dürftigen 0,5 Prozent, so hatte er 2021 bereits 3,9 Prozent erreicht und bewegte sich 2023 laut vorläufigen Zahlen auf acht Prozent. Branchenkreise hielten kürzlich einen Anstieg Richtung 15 Prozent im Jahr 2025 für möglich.

Zuletzt wurde der Export chinesischer Elektroautos nach Europa vor allem durch fehlende Transportkapazitäten gehemmt. Dem wirken die chinesischen Hersteller entgegen, indem sie begonnen haben, spezielle Transportschiffe (Ro-Ro-Schiffe, roll on/roll off) bauen zu lassen bzw. zu chartern. Das erste davon, die BYD Explorer No. 1, entlud vergangene Woche in Bremerhaven 3.000 Elektrofahrzeuge des Batterie- und Autoproduzenten BYD aus der Hightech-Metropole Shenzhen. BYD ist im vierten Quartal 2023 vom ­Branchenprimus in China zum weltgrößten Hersteller batteriebetriebener Fahrzeuge weltweit aufgestiegen und hat dabei erstmals Tesla abgehängt. Die Firma hofft in Deutschland auf einen Marktanteil von zehn bis 15 Prozent.

Die EU springt nun für die europäischen Platzhirsche von ­Volkswagen bis Renault in die Bresche. Im Herbst gingen Beobachter von Strafzöllen in Höhe von zehn bis 20 Prozent auf den Import chinesischer Elektroautos aus, die zu den bereits jetzt fälligen Einfuhrzöllen von zehn Prozent hinzukämen. Sie könnten den Preisvorteil von Konzernen wie BYD zunichte machen und deren Fahrzeuge faktisch aus dem Markt werfen. Zwar hat BYD den Bau einer ersten Fabrik in der EU in die Wege geleitet – in Ungarn – und denkt bereits über den Bau einer weiteren Fabrik in Italien nach. Bis dort produziert werden kann, werden freilich noch ein paar Jahre vergehen.

Dabei ist der Schritt für die EU riskant. Dass sich der Umstieg auf CO2-ärmere Fahrzeuge mit einem faktischen Ausschluss kostengünstiger Elektroautos noch weiter verzögert, ist den Brüsseler Bürokraten zwar vermutlich gleichgültig. Womöglich sägen sie gerade aber kräftig an dem Ast, auf dem die europäische Kfz-Industrie sitzt. Die EU kann ihren Unternehmen zwar den eigenen, allerdings tendenziell absteigenden Markt von 450 Millionen Menschen sichern. Diese drohen aber – bei Gegenmaßnahmen der Volksrepublik – deren aufstrebenden Markt von 1,4 Milliarden Menschen zu verlieren. Gewinnen geht anders.

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