06.03.2024 / Ansichten / Seite 8

Coup für Spekulanten

Aktienrente

Sebastian Edinger

Die Tendenz des finanzgetriebenen Kapitalismus, sich nach und nach in alle Lebensbereiche zu drängen und sich alles einzuverleiben, woraus sich Profit schlagen lässt, ist nicht neu. Seit Jahrzehnten vergeht keine Legislaturperiode, ohne dass den Renditejägern weitere Teile der sozialen Sicherungssysteme zum Fraß vorgeworfen werden. Dahinter bleibt auch die Ampelregierung nicht zurück, im Gegenteil: Mit der sogenannten Aktienrente könnte ein ganz großer Coup gelingen, der fast schon an die Zeit um die Jahrtausendwende und die radikal-neoliberalen Reformen der Regierung Schröder erinnert. Am Dienstag wurden die Pläne vorgestellt.

200 Milliarden Euro sollen demnach bis Mitte der 2030er Jahre als Kapitalstock zusammengeklaubt werden, um dann auf den Finanzmärkten verbrannt zu werden. Der dank FDP-Regierungsbeteiligung, Vorfahrt für »grüne« Wahlgeschenke und Schuldenbremse ohnehin unerträgliche Kürzungsdruck muss also erst mal weiter steigen. Irgendwo muss das Geld ja schließlich herkommen. Dafür sollen später mit den vermeintlichen Renditen Beitragserhöhungen und Rentenkürzungen vermieden werden. Das könnte vielleicht klappen – zumindest so lange die Kurse steigen, die spekulativen Blasen weiter aufgebläht werden und die Profite sprudeln.

Manchmal ist das ja so, an den Finanzmärkten. Bis es knallt, die Blasen platzen und die Investoren dumm aus der Wäsche gucken. Alle, bis auf den deutschen Staat? Schließlich handelt es sich bei der Aktienrente ja nicht um Zockerei, sondern um »langfristig gut angelegtes Geld«, wie Heil am Dienstag bei der Vorstellung der Pläne zwecks allgemeiner Beruhigung betonte. Doch es nützt ja nichts: Wenn die Kohle weg ist, ist sie weg. Dann kann eine künftige Regierung die gerissenen Löcher zwar noch von einem Schattenhaushalt in den anderen schieben und sie notdürftig verstecken. Futsch ist das Geld der Steuerzahler trotzdem. Und wenn dann nicht die Rentner für die staatlichen Fehlspekulationen einspringen sollen, muss es jemand anders tun.

Kann passieren, doch das ist weit weg. Jetzt geht es erst mal darum, die Finanzjongleure zu füttern. Als Argument wird ins Feld geführt, die einzige Alternative dazu seien mittelfristig steigende Beiträge und sinkende Renten. So ein Quatsch, wurde doch in den vergangenen Jahren mehr als einmal vorgerechnet, dass die umlagefinanzierte Rente sehr wohl langfristig funktionieren würde und zudem längst überfällige Rentenerhöhungen finanzieren könnte – wenn endlich alle in das System einzahlen würden, vom Beamten über den Unternehmer bis zum Politiker, und wenn alle Einkommen – auch die großen, auch die aus Kapitalerträgen – verpflichtend einbezogen werden. Das träfe jedoch vor allem die Wählerklientel von FDP und Grünen, ist also keine ernsthafte Option.

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