05.03.2024 / Titel / Seite 1

Signale wieder auf Rot

Schlichtung brachte keinen akzeptablen Kompromissvorschlag. Lokführergewerkschaft GDL kündigt nächsten Bahnstreik an

Gudrun Giese

Die nächste Streikrunde bei der Deutschen Bahn AG (DB AG) ist terminiert: Im Güterverkehr startet sie am Mittwoch um 18 Uhr, im Personenverkehr am Donnerstag um zwei Uhr früh. Beide Aktionen sollen jeweils 35 Stunden dauern.

Bei einer Pressekonferenz in Berlin kündigte Claus Weselsky, der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), am Montag die anstehenden Arbeitskämpfe an. Entscheidender Grund für die neue Streikrunde sei die Ablehnung des Bahn-Vorstands, die Forderung der Gewerkschaft nach Senkung der Arbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden ohne materielle Einbußen zu erfüllen, so Weselsky. Er betonte, dass zahlreiche Eisenbahnunternehmen wie unter anderem die Ostdeutsche Eisenbahn GmbH (ODEG), die Eurobahn und die Cantus Verkehrsgesellschaft entsprechende Tarifvereinbarungen mit der GDL abgeschlossen hätten, ohne dass Arbeitskämpfe nötig geworden seien. »Wir wollen nichts anderes als gleiche Bedingungen für alle Eisenbahnunternehmen«, erklärte der Gewerkschaftschef.

Vier Wochen lang hatten GDL und die DB AG gemeinsam mit zwei Schlichtern ergebnislos verhandelt. Auch der vom staatlichen Eisenbahnunternehmen benannte ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière sowie der von der Gewerkschaft ausgewählte schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (beide CDU) konnten die Kontrahenten einem Abschluss nicht ernsthaft näherbringen. Obwohl beide Seiten bei Beginn der Verhandlungen Geheimhaltung gegenüber der Öffentlichkeit bis zum 3. März vereinbart hatten, äußerte sich der für Personal zuständige Bahn-Vorstand, Martin Seiler, bereits vergangenen Donnerstag. Ausgerechnet gegenüber Bild, der die GDL seit Jahren Interviews verweigert, weil sie nach Angaben von Weselsky »tendenziös und vorab schuldzuweisend« berichte, hatte Seiler erklärt, dass die Gewerkschaft die Gespräche vorzeitig platzen lasse und nicht bereit sei, auf das Angebot der DB AG einzugehen. Weselsky machte nun deutlich, dass es gar keine verhandelbare Offerte seitens des Unternehmens gegeben hätte. Vielmehr sei von seiten der Schlichter ein Kompromissvorschlag eingebracht worden, der aus Gewerkschaftssicht nicht akzeptabel gewesen sei.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) forderte gegenüber Bild am Sonntag mehr Kompromissbereitschaft von beiden Seiten. Mit dem Beharren auf Maximalpositionen komme man nicht weiter, behauptete er. Weitere Streiks im Bahnverkehr wären »den Menschen in diesem Land nicht länger erklärbar«, so Wissing, ohne zu erwähnen, dass es längst Tarifabschlüsse zwischen der GDL und privaten Eisenbahnunternehmen gibt, in denen die Arbeitszeitsenkung enthalten ist.

Nach den 35stündigen Streiks ab Mitte der Woche könnten weitere Streiks bei der DB AG in Form von »Wellenstreiks« folgen, kündigte Weselsky am Montag an. Dabei legen verschiedene Abteilungen des Unternehmens zu jeweils unterschiedlichen Zeiten die Arbeit nieder. Die möglichen Folgestreiks sollen nicht mehr mit einem Vorlauf von 48 Stunden angekündigt werden. Die DB AG habe es jederzeit selbst in der Hand, die Streiks zu beenden, indem sie ein adäquates Angebot zur Arbeitszeitreduzierung präsentiere. Die einseitige Schuldzuweisung für die neuerlichen Arbeitskämpfe wies Weselsky zurück. Auch die hohen Kosten, die durch die Streiks entstanden seien, habe das Unternehmen ganz allein zu verantworten.

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