02.03.2024 / Inland / Seite 4

Erst Gegner, dann Partner

CDU-Chef Merz will Kampagne gegen Grüne nicht als Absage an mögliche Koalition im Bund verstanden wissen. Grundsatzkonferenz in Sachsen

Marc Bebenroth

Als »Hauptgegner« sind die Grünen für die CDU eine dankbare Zielscheibe im Wahlkampf. Im Konrad-Adenauer-Haus kann man sich die Ampelpartei allerdings weiterhin als Mehrheitsbeschaffer im Bund vorstellen. »Wir müssen untereinander kooperationsfähig, konsensfähig und wenn nötig aus koalitionsfähig bleiben«, sagte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz am Freitag im Gespräch mit dem MDR. Das wollte er aber keineswegs so verstanden wissen, dass die anhaltenden Attacken gegen Bündnis 90/Die Grünen bald aufhören. Man »diskutiere« »sehr hart« innerhalb des »breiten demokratischen Spektrums«. Als solches definierte der frühere Blackrock-Lobbyist die Parteien SPD, Grüne, FDP und Union.

Zumindest auf offener Bühne lassen Spitzenvertreter der Grünen noch keine besondere Bereitschaft erkennen, dem nächsten CDU-Kanzler ins Amt zu verhelfen. So verurteilte Bundestagsfraktionsvize Andreas Audretsch jüngste Vorstöße der Union für eine umfassende Arbeitspflicht für Asylsuchende. »Sinnvoller wäre es, Arbeitsverbote weiter abzuschaffen und Menschen in Arbeit zu bringen«, sagte Audretsch der Rheinischen Post vom Freitag. Das ist für die Union vermutlich noch verhandelbar, wäre da nicht Audretschs Forderung nach »anständigen Löhnen«.

Immerhin wusste der CDU-Vorsitzende im MDR-Interview, dass man unter »innerer Sicherheit« auch materielle Aspekte wie »Energieversorgungssicherheit« oder gar »soziale Sicherheit« verstehen kann. »Sicherheit ist ohne Zweifel in vielerlei Hinsicht das wichtigste Thema, um unsere Freiheit zu gewährleisten«, sagte Merz auf die Frage der Moderatorin, ob der »Wunsch nach Sicherheit« seitens der Bevölkerung nicht das dominierende Thema im Wahlkampf sein sollte. Als Ausdruck dieses Wunsches nannte sie rechte Forderungen auf Demonstrationen in Sachsen wie »Grenzen schließen« und »Ausländer raus«.

In diesem Jahr muss sich Merz’ Partei bei mehreren Kommunalwahlen, vor allem aber bei Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen gegen die AfD behaupten. Diese erzielte zuletzt in Umfragen Zustimmungswerte von teils über 30 Prozent. Auf die äußerst rechte Partei angesprochen, betonte der CDU-Chef gegenüber dem MDR, dass sich beide Parteien »fundamental« voneinander unterscheiden würden. »Sie ist nicht das Original, und wir sind nicht die Kopie«, entgegnete Merz zum Thema Asylpolitik. Die AfD sei ökonomisch und moralisch der »Abstieg für Deutschland«. Dagegen wollten Merz und seine CDU im Bereich »der inneren Sicherheit das Ganze mit Toleranz und mit Freundlichkeit verbinden«, behauptete er.

»Sehr freundlich« sei auch die Atmosphäre am Donnerstag abend bei der Regionalkonferenz in Chemnitz zum neuen CDU-Grundsatzprogramm gewesen. Dort erklärte Merz, dass Migrationspolitik das wichtigste Thema im Grundsatzprogramm sei. Mit Blick auf die große Zahl von Flüchtlingen in den Jahren 2015/2016 sprach der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) in Chemnitz von »Kontrollverlust« und »Fehlern«, aus denen man gelernt habe. So sei es »elementar«, die Zahl »irregulärer Migranten« zu reduzieren. Dagegen hatte am Mittwoch bei einer Regionalkonferenz in Hannover der Landesvorsitzende der CDU Niedersachsen, Sebastian Lechner, zu bedenken gegeben, dass die BRD »ohne Einwanderer, ohne Menschen mit Migrationshintergrund schon lange nicht mehr funktionieren würde«.

Kretschmer jedenfalls setzt – wie Merz, wie die Ampelregierung und wie die AfD – auf Abschreckung zur »Kontrolle« der Migration. Die (Wieder-)Einführung von Bezahlkarten für Asylsuchende anstelle von Leistungen in Bargeld sei dafür ein geeignetes Mittel. Wie diese Bezahlkarten wirken auch die Inhalte des Entwurfs für das neue Grundsatzprogramm wie aus den 1990er Jahren kopiert. So plädiert die CDU darin für ein »Bekenntnis zu einer deutschen Leitkultur«. Weitere Forderungen sind die Verlagerung von Asylverfahren auf das Territorium von Nicht-EU-Staaten sowie die Renaissance der Stromerzeugung aus Kernenergie. Im Mai soll ein Bundesparteitag der CDU das neue Programm beschließen.

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