01.03.2024 / Inland / Seite 4

Häppchen für den Hype

Nach Festnahme von mutmaßlichem RAF-Mitglied: Polizei informiert über angeblichen Fund von »schweren Kriegswaffen«

Kristian Stemmler

Der angebliche Fund einer Granate und weiterer Waffen in der Wohnung von Daniela Klette in Berlin-Kreuzberg am Mittwoch gab den Ermittlungsbehörden die Gelegenheit, den Medienhype um die Festnahme der »Terroristin« der aufgelösten Rote Armee Fraktion (RAF) noch mal kräftig anzuheizen. Die Polizei startete einen Großeinsatz und informierte die Öffentlichkeit nur häppchenweise und vage darüber, was sie entdeckt hatte.

Die Berliner Polizei hatte das siebenstöckige Wohnhaus in Kreuzberg, in dem sich Klettes Wohnung befindet, am Mittwoch abend komplett geräumt. Die Kriminaltechnik untersuche die »aktuell bei der Wohnungsdurchsuchung aufgefundenen, möglicherweise gefährlichen Gegenstände«, teilte die Polizei dazu auf der Plattform X mit. In der Nacht zu Donnerstag wurde ein weiterer »möglicherweise gefährlicher Gegenstand« aus dem Haus herausgetragen und in ein Spezialfahrzeug verladen. Dieses fuhr gegen 1.30 Uhr ab. Später folgte ein drittes Fundstück. Erst am Donnerstag morgen war der Einsatz beendet. Die Bewohner, die die Nacht bei Verwandten, Freunden, in Wärmebussen der BVG und einer Turnhalle verbracht hatten, konnten zurückkehren.

Bereits im Laufe des Mittwochs, noch vor der Evakuierung, seien laut einer Sprecherin des Landeskriminalamtes (LKA) Niedersachsen Waffen in Klettes Wohnung entdeckt worden. Unmittelbar nach der Festnahme von Klette am Montag war die Polizei nach eigenen Angaben zudem auf Magazine einer Pistole und Patronen gestoßen. Am Donnerstag nachmittag behauptete ein Sprecher der federführenden Staatsanwaltschaft Verden dann, es seien »schwere Kriegswaffen« gefunden worden – ohne allerdings näher zu erläutern, was damit gemeint ist. Später hieß es vom LKA, man habe unter anderem eine Panzerfaustgranate, eine Kalaschnikow, eine Maschinenpistole sowie eine Kurzwaffe samt Munition gefunden.

Im Rahmen der Festnahme Klettes kritisierte Michael Buback, Sohn des 1977 mutmaßlich von der RAF erschossenen Generalbundesanwalts Siegfried Buback, dass der Geschichte des Terrorismus in der BRD zu wenig Bedeutung beigemessen werde. »Die Erinnerung an die RAF spielt keine besondere Rolle im kollektiven Gedächtnis, auch nicht in Schulbüchern«, sagte Buback dem Tagesspiegel. Er wolle nicht spekulieren, wie viele RAF-Mitglieder noch im Untergrund leben könnten. »Da nur einer der 34 RAF-Morde vollständig aufgeklärt ist, dürfte noch eine größere Zahl terroristischer Mörder in Freiheit leben.« Der stellvertretende Bundessprecher der AfD, Stephan Brandner, nutzte die Gelegenheit und fabulierte über angebliche linke Netzwerke, denen Klette ihr bisheriges Untertauchen zu verdanken hätte, und die vom Staat toleriert würden. Der »Linksextremismus und die Zuneigung zu ihm« seien in den »Kreisen der Altparteien in Deutschland« außerdem »tief verwurzelt«.

Unterdessen erweist sich das Eigenlob der Ermittler, die Klette-Festnahme sei ein »Meisterstück« gewesen, als unbegründet. Für einen Podcast der ARD-Sender RBB und NDR, der bereits Ende Dezember erschien, gelang es Journalisten mit Hilfe einer Software, Bilder von Daniela Klette im Internet ausfindig zu machen. Wie diverse Medien berichteten, verweisen die Fotos auf einen Sportklub in Berlin, in dem Klette jahrelang aktiv gewesen sei. Die Podcastmacher verfolgten die Spur nicht weiter, gaben ihre Erkenntnisse aber auch nicht an die Ermittler weiter, weil sie eine Kooperation mit den Behörden ablehnen. Die neben Klette ebenfalls gejagten mutmaßlichen ehemaligen RAF-Mitglieder Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg sollen sich laut LKA zudem ebenfalls in Berlin aufhalten. Vor zehn Tagen war allerdings bereits ein Unbeteiligter in einem Zugabteil in Wuppertal als vermeintlicher Staub von Spezialkräften der Polizei überrumpelt worden.

https://www.jungewelt.de/artikel/470417.staat-und-raf-häppchen-für-den-hype.html